„Projekt Pinguin“ – 20 Jahre Seevogelbeobachtungen

 

rund um die Antarktis

 

 

 

Foto: Den Wunsch dorthin zu reisen, muss man nicht erklären! Location: Iceberg Alley, Weddell Sea. Ich wurde oft gefragt, was denn meine schönsten Reiseländer seien? Die Antwort ist immer noch die gleiche: die Antarktis im Sommer, dann kommt erstmal lange Zeit nichts und dann schließen sich Grönland und Spitzbergen an. Die Antarktis hat einfach alles: grandiose Landschaften, Tierwelt, unirdisches Licht und die totale Einsamkeit. Nicht jeder kann letzteres ertragen... © Achim Kostrzewa & CJ Bucher Verlag, München, Mamiya 645 Super, Sekor 2,8/55mm auf Fuji Velvia RVP 50; an Bord der MS Bremen

 

 

 

Foto: Gerlache Strait - Antarktische Halbinsel - abendliche Schiffspassage durch die Gerlache Strait, entlang der westlichen Antarktischen Halbinsel. Panorama aus 3 Einzelbildern © Renate Kostrzewa, Lumix FZ 20, Bildbearbeitung A.Kostrzewa

 

Unser Buch zu den Reisen zwischen 1995/96 - 2004/05 ist noch ganz analog auf Film fotografiert. Das Titelbild zeigt einen winzigen Teil der riesigen Cluster-Kolonie der Adelie Pinguine an der Hope Bay nahe der argentinischen Station Esperanza im Abendlicht  © Achim Kostrzewa,  Renate Kostrzewa & CJ Bucher Verlag, München.

Foto: Achim Kostrzewa, Nikon F4s mit AF 2,8/80-200 auf Fujichrome 100, Stativ

Das Buch ist beim Buchhandel und Verlag vergriffen, aber Sie können es bei uns für 17,50 € bestellen.

 

In den 1990er Jahren standen immer häufiger Pinguine im Zentrum meines Interesses. Nur es ist schwierig, diese Seevögel in ihrem natürlichen Habitat zu besuchen. Klar es geht in Argentinien, Chile, Südafrika oder auf den Galapagos und Falkland Inseln. Die Reisen sind mühsam, vor Ort bei den Kolonien gab es noch wenig bis gar keine Logistik. Doch die wissenschaftliche Literatur in meinem Studierkämmerlein wurde immer mehr. Ein Plan musste her! Und entgegen unserer strikten Forderung allein und unabhängig zu reisen, blieb für die Antarktis nichts anderes übrig, als auf vorhandene Logistik zurückzugreifen! Die „Wissenschaftsschiffe“ wie die deutsche „Polarstern“ zu entern, ist sehr schwer. Der Druck hier die teuere Schiffszeit möglichst nur mit Wissenschaftlern, die in festen Projekten arbeiten, auszufüllen ist sehr groß. Allenfalls werden mal Journalisten mitgenommen, um Werbung für die „deutsche Antarktisforschung“ in Bremerhafen zu machen.

 

Der Idee „ins Land der Pinguine“ zu reisen, war schwierig zu realisieren. Bleibt also als quasi als „second best“ Lösung, dass was einige Biologenkollegen auch machen: als Lektoren auf Kreuzfahrtschiffen mitfahren. Hier hat man den großen Vorteil, viele Routen und Ziele ausprobieren zu können, die ein einzelner Forscher in der Antarktis nie zu sehen bekommt.

 

 

         

Fotos: Esels-, Adelie-, Zügel- und Goldschopfpinguine mit Jungen, Südshetland Inseln & Antarktische Halbinsel  © A. Kostrzewa & CJ Bucher Verlag, München, Nikon F4s mit AIS 3,5/400 IF-ED oder AF 4/300 IF-ED, Fujichrome 100, Stativ: Manfrotto 055B

 

 

Foto: Adelie und Mensch - Bei der Arbeit auf Paulet Island am Rand des Weddell Meeres, mein Stativ markierte gleichzeitig die 5 Meter Abstandsgrenze zur Kolonie für die Besucher. Aber die Pinguine kommen von selbst immer näher und untersuchen neugierig alles, scheißen einem sogar auf den Rucksack  © Renate Kostrzewa & CJ Bucher Verlag, München, Nikon F801s mit AF 24-50mm. Wer sich besonders für die fotografische Seite meiner Arbeit interessiert, kann hier weiterlesen

 

 

Warum ist das so? Weil die Logistik für die Forschung in diesen entlegenen Gebieten so teuer ist! Man schickt den Forscher für einen Sommer hin – an einen einzigen Platz – dort sammelt er seine Daten und fährt wieder zurück an sein Institut zur Auswertung. Was hat er dabei von der Antarktis gesehen: ziemlich wenig. Ein bisschen was auf der Hin- und Rückreise und vor Ort hatte er nur einen Platz zum Forschen, die Umgebung seiner Station. Dort arbeitet er einen engen Zeitplan ab, für sein zeitlich begrenztes Projekt, die Doktorarbeit, was auch immer. Freizeit bleibt da nicht. Man entwickelt einen totalen Tunnelblick und wenn das Wetter nicht mitspielt, ist auch so mancher schon mit zu wenig Daten nach Hause gefahren, meist ohne die Möglichkeit auf einen zweiten Versuch zu bekommen…

 

Wie also endlich mal länger an die wirklich interessanten Pinguin- und Seevogelkolonien und die fotografisch schönen Plätze in der Antarktis gelangen? Klar auf einem Kreuzfahrtschiff, wie sonst. Und möglichst auch umsonst, preislich gesehen. Wie geht das? Nun Buchautoren, die nebenbei promovierte Wissenschaftler mit den Fächern Biologie, mit einschlägigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Pinguine und anderer Seevögel,  und zusätzlich noch Erdwissenschaften (Geologie/Paläontologie, physische Geografie) sind, haben es da etwas leichter als „normale“ Menschen. Wir bewarben uns also bei zwei Reederein, deren Schiffe wir gesehen hatten und ganz schön fanden. Das klappte auch prompt. Es gab sogar Geld – sprich eine kleine Aufwandsentschädigung – dafür.

 

Im Zeitraum vom Südsommer 1995/96 bis 2008/09 kamen so 24 Reisen in die westliche Antarktis und ihre Inselwelt zusammen. Das bedeutet auch, das man 48 Mal die Drake Passage – die stürmischste See der Welt – überquert hat. Im Südwinter 2012/13 gelangten wir dann auch in die Ostantarktis, um die subantarktischen Inseln südlich von Australien und Neuseeland zu bereisen (Reisebericht hier). Im Dezember 2005 erschien unser Buch „Antarktis“ dazu.

 

 

Als Biologe vor Ort

 

Was kann man als Lektor auf einem Expeditionskreuzfahrer machen? Was springt neben der Arbeit an Bord und an Land für einen selber raus? Auf den richtigen Schiffen mit den richtigen Leuten sehr viel. Nirgendwo kann man die Antarktische Halbinsel so bereisen, dass man gut 50 Anlandeplätze mit ihren Pinguinkolonien kennen lernt. Da gewinnt man mehr Überblick als die meisten professionellen Antarktisforscher jemals bekommen können. Das ist für mich persönlich sehr wichtig. Als Tierökologe ist man darauf angewiesen aus eigener Ansicht Habitate vergleichen zu können, sprich Fragen nachzugehen wie:  

 

       

 

     

 

Das sind Fragen, die mich umtreiben! Wenn ich das dann noch mit meinem "Fotohobby" dokumentierend verbinden kann, um so besser.

 

 

 

Zählen, Zählen, Zählen... und dokumentieren!

 

 

 

Foto: Lavastrand und 250.000 Pinguine (Stand der Zählung vor 1990, siehe aber unten wg. deutlichen Rückgang von über 50% in 25 Jahren) - Hier am Strand der Vulkaninsel Deception landen täglich mehr als 100.000 Pingune. In der Superkolonie (setzt sich zusammen aus vielen kleineren Einzelkolonien) der Zügelpinguine am Baily Head sind am Ende der Brutzeit mehr als eine viertel Million Tiere versammelt, die bis zu vier Kilometern landeinwärts zu ihren Nestern wandern. Die Aufnahme wurde inspiriert durch Frans Lanting, der sie in den 1980er Jahren erstmals zeigte. Die Anlandung hier ist sehr schwierig, das Boot nach uns wurde komplett von einer Welle überspült. Der Sturm am Horizont zieht ab. Aber die See war noch sehr rauh. Bei solchen Landungen gilt Minimalausrüstung, denn man läuft Gefahr das alles mit Salzwasser volläuft und man die Ausrüstung verliert, wenn das Boot überspült wird. Die unverwüstliche Nikon F2A (letzte Baureihe von 1979) mit Nikkor 2,8/24mm auf Sensia 100 auf dem Boden liegend, Kamera auf dem Rucksack abgestützt. Das Motiv wurde auch nochmals mit der Mamiya 645 Super und 3,5/35mm Superweit auf Provia 100F aufgenommen. Pano-Beschnitt. © A. Kostrzewa

 

 

 

Foto: Blick zurück zum Lavastrand  - Hier am Baily Head hat sich aus vielen Einzelkolonien eine riesige Clusterkolonie gebildet. © A. Kostrzewa, Nikon F4s, 2,8/28mm

 

 

 

 

Foto: 250.000 Zügelpinguine brüteten hier in toto nach den veröffentlichten Zahlen vor ca. 1990. Gezählt wird z.B. mittels solcher Fotos und GPS Geländedaten. Nach aktuellen Untersuchungen (u.a. Barbosa et al. 2012), die auch Satellitenfotos der letzten 10 Jahre auswerteten, ist die Zahl der Zügelpinguine am Baily Head von über 120.000 Brutpaaren in 25 Jahren auf unter 53.000 BP gesunken. Bezogen auf verschiedenen Koloniestandorte auf Deception liegen die Verluste an Brutpaaren zwischen 39 und 55%. Der Klimawandel lässt grüßen! © A. Kostrzewa, Nikon F4s, AF 2,8/80-200, im Dez. 1995

 

 

Der neuerdings erwiesene Rückgang der Zügelpinguine bringt eine neue Qualität in die Diskussion. Bislang war ja der Adelie hauptsächlich betroffen (Übersicht in Kostrzewa & Kostrzewa 2007). Als typisches Beispiel (Vortragsfolie aus meinem Pinguin Vortrag) hier die Ergebnisse des Palmer LTER Projektes von Bill Fraser:

 

 

 

Grafik: Bill Fraser hat 26 Jahre unter teilweise widrigen Umständen in Schmutz und Regen seine Pinguinkolonien untersucht und gezählt. Er konnte das in den ersten 12 Jahren nicht jedes Jahr machen, hat aber hinreichend viele und genaue Daten, um die drei Populationen in ihrer Entwicklung zu beschreiben. Um die gefundenen Trends deutlicher sichtbar zu machen, habe ich die einzelnen Arten mit farbigen Pfeilen unterlegt. Die jährlichen Unterschiede sind teilweise dramatisch: die Eselspinguine verdoppeln sich von über 300 auf über 600 BP in nur einem Jahr (2002-03).

 

Die Adelies werden weniger und der Platz auf der Anvers Insel wird von Eselspinguinen (Gentoo) und auch Zügelpinguinen (Chinstrap) übernommen. Erst in den letzten 10 Jahren scheint  auch der Zuwachs bei den Zügelpinguinen einzuknicken. Ob das nun a la longe eine Trendwende wird, bleibt abzuwarten. Die Gründe für aktuelle Rückgänge bei den Zügeln sind wiederum unklar, es werden die "üblichen Verdächtigen" untersucht: die Nahrungssituation (in Verbindung mit dem Klimawandel, wenn das Meereis weniger wird, nimmt auch der Krill ab!), der Klimawandel selber (Luft- und Wassertemperatur), der Tourismus oder auch die Forscheraktivität, wie wir das bereits ausgiebig diskutiert hatten (Übersicht in Kostrzewa & Kostrzewa 2007). Die  beiden letzten Faktoren dürften immer noch den bei weitem geringsten Einfluß aufweisen. Für tiefer greifende Erläuterungen der komplexen Situation können Interessierte auf meine/unsere Übersichtsartikel in der Naturwissenschaftlichen Rundschau oder Biologie in unserer Zeit zurückgreifen.

 

 

 

Grafik: Die längsten Datenreihen überhaupt liegen von der Rossmeer Station des British Antarctic Survey vor: dort werden die Adeliebrutpaare seit 1959 quasi ununterbrochen gezählt, ihre Zuname liegt bei 400%. Im gleichen Zeitraum steigt die Lufttemperatur um nur ca.1- 1,5°C. Auf der Antarktischen Halbinsel macht der Anstieg aber über 3°C aus und hat dramatisch negative Auswirkungen auf die Adeliepopulation (siehe oben: nach  Croxall et al. 2002 aus Kostrzewa & Kostrzewa 2007).

 

 

 

 

Auch beim Bruterfolg gilt: Zählen, Zählen, Zählen...und dokumentieren

 

Die brutbiologische Seite der Pinguinökologie sei hier nur gestreift: alles beginnt natürlich mit dem Bruterfolg oder -mißerfolg eines individuellen Brutpaares! Einige sind "clever" und haben quasi immer Erfolg, andere sind ein bisschen "weniger clever" bis "etwas blöde" und haben weniger oder gar keinen Bruterfolg. Wir schreiben diese Unterschiede heute überwiegend der genetischen Ausstattung und Erfahrung einzelner Individuen zu. Viele Individuen an einem Brutplatz, einer Kolonie, machen eine Population oder Subpopulation aus, je nach Größe ist das eine reine Definitionsfrage. Die Summe derer Erfolge pro Jahr nennen wir den Bruterfolg, der je nach Beobachtungsmöglichkeiten - die ja in der Antarktis sehr begrenzt sind - z.B. in "ausgeflogene Junge" pro begonnener Brut beschrieben werden kann. Für die mittelgroßen Pinguine sind 0,5 - 1,0 Junge pro Paar und Jahr "normal", obwohl 1-2 (-3) Eier gelegt werden. Die Verluste sind also groß und haben vielfältige Ursachen, wie Beutegreifer (Skuas), schlechtes Wetter zur Unzeit, Schnee und natürlich Nahrungsmangel u.a.m. Renate hat während vieler Aufenthalte zwischen November und Ende Februar quasi alle Stadien der Brutzeit von Balz bis zur abschließenden Mauser neben der übrigen Arbeit meist mit der kleinen LUMIX dokumentieren können. Ich war überwiegend nur im Dezember-Januar vor Ort, um die maximale Ausdehnung der Kolonien zu beobachten und habe daher nur kleine Junge bis zum Kindergartenalter fotografisch dokumentiert.

Man braucht viele Anlandungen zwischen Dezember (Eier) und Anfang März, wenn die Jungen "ausfliegen" und mit fertigem Gefieder ins Meer gehen können, um dort ihr "Erwachsenen" Leben zu beginnen, bis

an als Fotograf den ganzen Brutzyklus dokumentiert hat.

 

 

 

 

Eselspinguin auf seinem typischen Steinchennest mit 2 Jungen und einem ungeschlüpften Ei. Dreiergelege sind sehr selten!  © Renate Kostrzewa, Lumix FZ 20

 

 

Eselspinguin auf seinem typischen Steinchennest mit 2 Eiern. Man sieht sehr schön den Brutfleck, der die Wärme auf die Eier überträgt. © Renate Kostrzewa, Lumix FZ 20

 

 

 

Eselspinguinjunge rennen im "Futterlauf" hinter den Alten her!  © Renate Kostrzewa, Lumix FZ 20

 

 

Eselspinguinjunge rennen im "Futterlauf" hinter den Alten her, siehe oben. Aber nur eines gewinnt den Lauf und bekommt die ganze Portion!  © Renate Kostrzewa, Lumix FZ 20

 

 

Zügelpinguin kurz vor dem "Ausfliegen." Er ist bereits ins Erwachsenenfederkleid vermausert, bis auf einen kleinen Rest Jugendgefieder auf dem Kopf. So sieht er aus wie ein Punker! © Renate Kostrzewa, Nikon F801s, AF 2,8/80-200, Scan vom Fujichrome 100, im März, Antarktische Halbinsel.

 

 

"Du,  wir lassen uns aber erst scheiden, wenn die Kinder tot sind." (Zitat eines dt. Kabarettisten?) © Renate Kostrzewa, Lumix FZ 20

 

 

 

Hier kommen noch weitere Fotos dazu....

 

 

 

Fast alle Jahre wieder: reisen, reisen, reisen....

 

 

Man wird ja auch immer wieder, zum Beispiel in Radiointerviews, darauf angesprochen, was und warum man das eigentlich macht, in die Antarktis zu fahren? Und ob man das auch verantworten kann, die weiten Flüge und dann noch Touristen in solch empfindliche Landschaften zu führen?

Die Antwort heißt uneingeschränkt JA! Man kann nur schützen, was man kennt! Ausreichenden Schutz genießt nur, was regelmäßig kontrolliert wird, zeigt jedenfalls die weltweite Erfahrung mit dem Naturschutz. Der Antarktisvertrag schützt zwar die Antarktis auf dem Papier, aber was wäre, wenn niemand regelmäßig große Teile der Küsten befahren würde? Ein gutes Beispiel mag der Walfang der Japaner sein: ohne NGOs wie Greenpeace oder eben auch Biologen auf irgendwelchen Kreuzfahrtschiffen würde doch niemand bemerken, das hier Wale zu „Forschungszwecken“ gejagt würden! Und wo kein Kläger da kein Richter, der den Japanern jetzt (im Frühjahr 2014) diese Art von „Forschung“ endlich untersagt hat. Die Begründung hat mir sehr gut gefallen: die Fragestellungen und methodischen Ansätze seinen nicht geeignet, wissenschaftlichen Kriterien zu genügen! HURRA! Die Japaner haben jetzt darauf reagiert und wollen in Zukunft weiter Wale wissenschaftlich jagen, jetzt aber mit besseren wissenschaftlichen Programmen unterlegen; ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

 

 

So sieht es aus: Schiff, Landgang mit Zodiac und dann Wanderung zu den Vögeln, denn man kann nicht immer da anlanden, wo die Kolonie liegt. Und das Wetter macht auch, was es will. Und trotzdem, strahlende Gesichter!  © A. Kostrzewa, D700, AF-D 18-35

 

Die meisten Tour Operateure gehören der IAATO an, die sich in Selbstverpflichtung dem Antarktisvertrag strikt unterwirft und für die beteiligten Biologen ist es eine Frage des Berufsethos diese auch durchzusetzen. Wir sind – griffig formuliert – die mobilen Nationalpark-Ranger, die jedes Kreuzfahrtschiff, das Gäste in der Antarktis anlandet, selber mitbringt; nein, zwingend mitbringen muß! Nach dem Antarktisvertrag dürfen an den meisten Plätzen maximal 100 Personen gleichzeitig angelandet werden. Dabei müssen zwingend pro 20 Personen ein kundiger Führer als Naturkundler (Biologe, Geologe, Geograf) mit einschlägiger Erfahrung dabei sein, um die Gäste zu beaufsichtigen. An ganz empfindlichen Plätzen dürfen auch nur 50 Personen anlanden und die Führer tragen GPS Logger, um die gegangene Route aufzuzeichnen. Wird gegen diese Vorgaben verstoßen, verliert der Expeditionsleiter seine Lizenz, (d.h. er seinen Job, denn ohne lizenzierten Expeditionsleiter darf kein Schiff anlanden). Organisiert werden die Anlandungen zentral von der IAATO und jedes Schiff bekommt seinen Slot zugewiesen. D.h. aber auch, wer wegen Wetter o.ä. zu spät kommt und nicht tauschen kann, darf nicht landen! Bei über 30 Expeditionsschiffen, die mittlerweile dort fahren, gibt es regen Funk- und wo möglich auch E-Mail Verkehr zwischen den Schiffen, um trotz immer wieder eintretender widriger Umstände (Wetter, Pannen), möglichst viele Anlandungen zu realisieren.

 

Da so die Natur interessierten Kreise auf alles ein Auge haben, funktioniert die Umsetzung des Antarktisvertrages sehr gut. Aber ich frage mich, was wäre, wenn dort niemand aufpasste? Vielleicht sogar wildes Mining nach wertvollen Erzen und Ölbohren? Derzeit muss man die Yachten von Privatleuten im Blick haben, deren Besatzungen wild an Land zelten und, wie schon im Fernsehen gezeigt, und mitten durch Pinguinkolonien latschen…

 

 

 

Foto: Strahlender Sonnenschein über der Bucht von Gold Harbour, South Georgia. Alles voller Königspinguine. © A. Kostrzewa, Nikon D300 mit AF 2,8/14mm

 

 

Bleibende Erinnerung an eine "nasse Anlandung" mit Zodiacs


Kein Hafen, kein Steg – an Land gelangen wir nur mit Hilfe der sicheren Expeditionsschlauchboote, der Zodiacs. Gummistiefel und warm ankleiden ist angesagt. Selbst bei ruhiger See weht über dem Wasser ein kalter Wind. Zieht während des Landgangs eine steife Brise auf, bekommt man schon einmal einen Schwall Wasser mit, während das Zodiac über die Wellenkämme reitet. Es gibt auch plötzliche Wetterumschwünge, die die Rückkehr aufs Schiff zu einem Abenteuer werden lassen, wie im Januar 2001: Morgens um 7.30 Uhr werden die Passagiere zum warmen Bad im Pendulum Cove in der Caldera von Deception eingeladen.
Bei starkem Wind nehmen nur 40 Gäste die Zodiacfahrt auf sich. Zumindest von oben werden wir geduscht, denn die Wellen rollen heftig heran. Einmal pro Reise muss man in der Antarktis nass geworden sein, damit der Begriff “nasse Anlandung” auch Sinn macht, meint
unser Expeditionsteam. Das vorletzte Boot schafft es gerade noch aufs Schiff, dann bläst der Wind Stärke zehn bis elf. Meine Kameras schmeiße ich noch schnell in einer wasserdichten Tasche in dieses vorletzte Boot und bitte meine Frau Renate über Funk
meine Fotoausrüstung und die wertvollen Filme zu bergen. Dann stehen wir am Ufer: der Erste Offizier, Expeditionsleiter Henryk Wolski und ich, die drei Letzten vom Expeditionsteam und kommen nicht mehr weg.
Das Zodiac treibt vor uns in den Wellen. Der Fahrer schafft es nicht, mit dem Heck voran zu uns zu kommen. Wir verharren tief im kalten Wasser und ich habe Angst vor dem messerscharfen Propeller des Außenborders. Wir versuchen es etwa 500 Meter weiter am
Ufer nochmals, da scheint es tiefer zu sein. Ein zweites Boot nimmt unser Zodiac an die lange Leine. Jetzt erreicht uns das Boot mit dem sicheren Bug zuerst. Henryk und ich hechten kopfüber hinein. Ich bin rein adrenalingetrieben im Boot und bin jetzt bis zur Brust nass. Unser Erster hilft noch das Boot etwas zu drehen. Mit keinem trockenen Faden mehr am Leib rollt er sich mit unserer Hilfe über die Zodiacwulst ins sichere Innere. Er hat bis zum Scheitel im Wasser gestanden, was in der Vulkancaldera glücklicherweise gut über null Grad warm ist. Wir düsen zur Bremen und erklimmen glücklich das Sidegate. Jetzt erst einmal raus aus den nassen Klamotten und lange heiß duschen.

 

 

Foto: Nasse Anlandung - Hau ruck, mit der nächsten Welle haben wir das Zodiac wieder klar. Im Hintergrund wartet Kapitän Lampe mit der WD auf uns, frischen starken Kaffee gibt es auch.© A. Kostrzewa & CJ Bucher Verlag, München, Nikon F4s mit AIS 2,8/28mm, Fujichrome 100

 

 

Erste Erfahrungen

 

Aber, wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Wohl wahr, aber manches möchte man kaum glauben. Wir schifften uns im Dezember 1995 in Feuerland auf der WD ein und erlebten ein Reiseleiterteam, wie man es sich kaum bizarrer vorstellen kann: Die deutschen Experten waren ein Lehrer für Geographie im Hochschuldienst, der an seiner PH mal was über Feuerlandindianer publiziert hatte. Ich hab es später nachgeprüft, aber als Spezialist für Pinguine und Wale firmierte und seine jüngere Freundin, die mal seine Studentin war. Dieses Pärchen versuchte die ganze Reiseleitung gegen uns aufzuwiegeln, mit der auch nicht viel los war. Expeditionsleiter war ein Ex-Logistiker, der angeblich mal Antarktisstationen betreut hatte, genau das gleiche Kaliber und dann gab es noch eine Parallelorganisation auf dem Schiff, das sich Amerikaner und Deutsche teilten. Diese amerikanischen Kollegen kamen uns wie ein besseres Paralleluniversum vor: es waren Topleute aus Yale (Geologe) und von der UCLA (Meeresbiologe, Historiker), der britische Kollege (Glaziologe) vom British Antarctic Survey  und der junge Expeditionsleiter aus Kalifornien war auch ganz prima. Aber denen fehlte ein Biologe mit Schwerpunkt auf Seevögel/Robben/Wale. Da wir unser Geld ja nun verdienen wollten und uns die Deutschen am liebsten mit Schlauchboot ausladen und ähnlich qualifizierten Arbeiten beschäftigten, bin ich sofort zu den Amerikanern übergelaufen und habe mit meinen deutsch beschrifteten Vortragsdias und Overheadfolien englische Vorträge improvisiert. Meine Frau hat an Land bei den Pinguinen dann ihr Fachwissen auf deutsch und englisch ausgebreitet und musste den Mist erstmal gerade rücken, den die selbsternannten deutschen Experten an Bord erzählt hatten. Ihre eloquente und stimmige Argumentation mit vielen Belegen aus der aktuellen Primärliteratur überzeugte die Gäste schnell. Das irre an der Situation war, die Reederei saß in Bremen und Seattle und jede Teilstreitmacht schien der anderen spinnefeind. Wir dazwischen, aber zumindest erprobt und gestählt in universitären Grabenkämpfen. Nur Kapitän Lampe hatte das Ruder fest in der Hand. Der kannte seine Pappenheimer. Mischte sich aber nur im Notfall ein. Ja und zwischen all dem menschelnden Chaos hab ich auch noch fleißig fotografiert und meinen Fotokurs gleich einamerikanisiert: „How to make pictures in an mostly white and blue environment.“ Beim zweiten sich gleich anschließenden Törn heuerten wir gleich im Doppelpack als bilinguale Lektoren bei den Amis an, bekamen eine richtig schöne Kabine und hatten viel Spaß und noch mehr gute Fotos von Südgeorgien. Diese Wetterküche zeigte sich zur Abwechslung mal gnädig, bessere Bilder haben wir dort erst wieder 2008 bekommen. Die Reederei mit dem wirklich schönen, später auch ganz neu gebautem Schiff „WDII“ ist schon seit Jahren pleite. Trotz Touristenboom in der Antarktis. Qualität im Management setzt sich halt am Markt durch…

 

...und letzte Erfahrungen

 

So stellten sich die beiden ersten Reisen im Südsommer 1995/96 dar. Dass es der Beginn von einer ganzen Reihe von weiteren Einladungen/Reisen werden würde, hatten wir nicht ahnen können. Um eine lange Geschichte kurz zu machen, folgten weitere Antarktisreisen auf der „Bremen“ und den Hurtigrutenschiffen „Nordnorge“ und später auch der „Nordkapp.“ Der vorerst letzte und schönste Tripp in die Westantarktis brachte uns dann 2008 auf die „Ushuaia“ und nach South Georgia. Aber man kann dem Wettergott auch nur eine gewisse Zeit lang trotzen: 2012/13 erwischte es uns dann auf der Fahrt mit der „Spirit of Enderby“ durch Ostantarktische Gewässer voll, es gab quasi nur schlechtes Wetter, was uns einen großen Teil des Aufenthaltes auf Macquarie kostete.

 

 

 

Foto: Hauben- und Königspinguine am Strand von Macquarie, dem Ziel meiner lang gehegten Wünsche. Es regnet wie aus Eimern! D700, AF 2,8/80-200 @ 85mm, Stativ, der Fotograf sitzt auf einer kleinen Gummimatte am Strand und das Wasser läuft in deren Mitte zusammen. Das Wasser stand sogar in meinen Parkataschen.  © Achim Kostrzewa

 

 

Foto: Haubenpinguine am Strand von Macquarie. Der Regen hatte gerade mal Luft geholt. D700, AF 2,8/80-200, Stativ

 

Man trifft allerdings nicht nur Berufskollegen, die man lieber nicht kennen gelernt hätte, sondern auch richtig gute Leute, mit denen das Arbeiten SPASS macht und mit denen ich jederzeit wieder fahren würden: die Kapitäne Heinz Aye und Karl-Ulrich Lampe zählen zu den Pionieren des Antarktistourismus und haben viele der heute üblichen Routen und Landeplätze erstmals befahren. Sie sind längst verdiente Pensionäre. Die CD/Expd. Leader Ingrid Schwarz, Thomas Holik, Dr.Arne Kertelheim, Monika Schillat, Henryk Wolski, sowie die Kollegen Prof.Dr.Christian Späth, Dr.Gerhard Beese und natürlich Monikas ganzes Expeditionsteam sowie viele Kollegen aus dem Commonwealth (Antarctic Survey) und den USA haben meine Frau Dr.Renate Kostrzewa und mich freundschaftlich aufgenommen und immer voll unterstützt. Die Kollegen Dr.Hans-Ulrich Peter (Uni Jena) und Dr.Klemenz Pütz  (Antarctic Research Trust, Port Stanley, Falkland) waren bei der Recherche immer sehr  hilfreich.

 

 

 

Foto: Haubenpinguinportrait im Regen am Strand. Ein Antarktisfotograph muss auch unter widrigen Umständen einigermaßen gute Fotos mit nach Hause bringen können, sonst lohnt die umständliche Reise nicht! Klar, es wäre viel schöner gewesen, wenn die gelbe Federhaube nicht vom Regen an den Kopf der Tiere geklatscht worden wäre, aber man muss nehmen, was der Wettergott einem beschert... © A. Kostrzewa, D700, AF 2,8/80-200, Stativ

 

 

Die Vorschriften auf Macquarie sind absolut rigide: an den drei besuchbaren Pinguin-Kolonien gibt es deutlich gesteckte Grenzen, wie hier bei der einzigen Haubenpinguinkolonie für Besucher. Die Australier sind personell so gut besetzt, das sie jeder Gruppe einen Extra Guide mitgeben können. Die Fotoposition ist nicht optimal. Ich konnte nur in der Richtung arbeiten, in die das Objektiv zeigt, der Regen hätte mir sonst sofort die Frontlinse eingesaut.  © A. Kostrzewa, D700, AF-D 18-35

 

 

Mein persönliches Fazit: Fahre in spätestens 5 Jahren wieder mal zur Antarktischen Halbinsel hin, möchte schließlich auch zu den Kaiserpinguinen auf die Südseite von Snow Hill Island, bevor das Eis weg schmilzt. Wetterunbilden hin oder her: Die Antarktis bleibt für mich der faszinierendste Kontinent überhaupt, sowohl wissenschaftlich wie fotografisch. Für die nahe Zukunft ist ein mehrwöchiger Aufenthalt auf verschiedenen Vogelinseln der Falklands geplant. (Der hat im Januar 2016 stattgefunden). Ganz ohne Pinguine geht's halt nicht.

 

 

Foto: Felsenpinguine, Blauaugenscharben und Schwarzbrauen-Albatrosse in einer gemischten Kolonie, New Island, Falkland Inseln. © A. Kostrzewa, Nikon F801s mit AF 24-50mm.

 

Hinweis für Reisende: Jede Reise ist anders. Am meisten wird der Reiseerfolg vom Wetter beeinflusst, siehe unsere Erfahrungen auf der Macquarie Reise. Aber es kommt auch darauf an, wie gut die Expeditionscrew arbeitet, kaputte Zodiacs sollten nicht die Zahl der Ausbootungen reduzieren oder gar verhindern. Wählen Sie Route und Schiff mit Bedacht! Schiffe bis 100 Passagiere würde ich immer bevorzugen: man hat mehr Zeit an Land, weil keine 2. Gruppe angelandet werden muss. Diese Reisen sind auch etwas teurer. Zu den kleinen russischen Eisbrechern (Professor-Klasse, 50 Passagiere) kann nur seefesten Leuten geraten werden.

 

Text und Fotos © A. Kostrzewa im Mai 2014, ergänzt mit weitern Bildern Juli 2014