Südgeorgien/South Georgia  

Logbuch der „Colibri-Königspinguintour“

vom 26.10. – 11.11.08 mit der MV Ushuaia

 

© Text und Fotos: Dr.Renate & Dr.Achim Kostrzewa

 

 

Endlich sind wir auf der MV Ushuaia angelangt, einem eisverstärkten Expeditionsschiff, das für die nächsten 14 Tage unser gemütliches Zuhause sein wird. Lange dauerte die Anreise. Nach dem Flug von Frankfurt via Madrid nach Buenos Aires fuhren wir mit unseren 75 Reiseteilnehmern noch weitere fünf Stunden durch die grüne Pampa mit dem Bus bis zu Argentiniens Seebad Mar del Plata. Da das Essen im Flugzeug nicht so üppig war, stürzt sich an Bord jeder erst einmal auf die leckeren Snacks: Empanadas,  Käse, Wurst, Kuchen und jede Menge frisches Obst. Danach begrüßt uns unsere Expeditionsleiterin Monika Schillat. Für manche ungewohnt schlägt sie gleich vor, dass sich alle auf dem Schiff duzen. Schon bald entwickelt sich eine lockere, familiäre Atmosphäre. Viele von uns sind hundemüde,  doch wir müssen noch alle die obligatorische Seenot-Rettungsübung hinter uns bringen. So mancher müht sich mit der ungewohnten, starren Schwimmweste an Deck ab. Jeder kann einen Blick in „sein Rettungsboot“ werfen, die beide einen beruhigend robusten, weil vollkommen geschlossenen Eindruck machen. Nach dem Abendessen fallen wir müde in die Kojen. Stockbetten hatten die meisten von uns seit der Jugendherbergszeit nicht mehr benutzt!

 

 

  

Unsere Ushuaia mit der allzeit offenen Brücke - bei schönem Wetter ist sie stark frequentiert - es ist kuschelig warm hier!

(Spiegelung in schräg gestellten Brückenfenster, Fotograf oben rechts im Bild)

 

   

 

1.-4. Schiffstag:  auf See

Vier Seetage benötigen wir nach Südgeorgien. Die ersten drei Tage ist das Meer ganz ruhig. Viele Seevögel begleiten uns. Da es noch frühlingshaft warm ist, genießen wir die herrliche Luft und den Sonnenschein, um die strapaziöse Anreise abzustreifen und auch geistig auf dem Südatlantik anzukommen. Dem Schiff folgen Wander- und Schwarzbrauen-Albatrosse, Riesen- und Kapsturmvögel. Später können wir auch den Zickzackflug der kleinen Walvögel beobachten mit der charakteristischen W-Zeichnung auf Rücken und Flügel. Verkürzt wird die Zeit durch ein Vortragsprogramm. Als Lektoren informieren wir über Seevögel, Pinguine, Eis und den Walfang und geben einen Überblick über die Landeskunde der Insel Südgeorgien. Unterstützt werden wir durch den Geologen Dany Martinioni und Monika, die als Historikerin die Insel beleuchtet. Fotograf Markus Mauthe gibt Tipps für bessere Fotos.

Am 3. Schiffstag werden sogar Wale gesichtet. Alles stürzt an die Reling. Kapitän Jorge Aldegheri reduziert die Geschwindigkeit und folgt langsam den sanften Giganten. Alles starrt aufgeregt auf die See. „Dort ist wieder der Blas!“ ruft jemand.  Schnell versucht jeder ein Foto zu schießen, doch das Ausstoßen der Atemluft ist oft nur kurz und man muss auf die nächste Gelegenheit warten. Die Seiwale - erkenntlich an ihrer Größe, den Furchen und der Rückenflosse - spielen mit uns. Einer kreuzt direkt vor dem Bug. Nach einiger Zeit haben die Wale genug von uns und ziehen weiter. Da es erst zeitiges Frühjahr ist, haben wir großes Glück mit der Walbeobachtung. Die meisten Wale ziehen erst ab Mitte November in die kalten Antarktischen Gewässer, um Nahrung aufzunehmen. Den Winter verbringen sie in den warmen, subtropischen Gewässern z.B. bei Valdes, wo sie sich paaren und ihr Junges bekommen, aber nicht genügend zu fressen finden.

Am 4. Schiffstag passieren wir morgens gegen 10 Uhr die Antarktische Konvergenz. Das ist eine 50-100 km breite Grenzzone mitten im Ozean zwischen dem 50. und 60. Breitengrad, in der das 1-2° C kalte, antarktische Wasser unter das 3-4° C wärmere, subantarktische Oberflächenwasser absinkt. Auf dem Meer sieht man keinen Unterschied. Doch man fühlt es draußen an Deck: Die Lufttemperatur ist deutlich gesunken. Mütze, Schal und Handschuhe werden nun herausgeholt. Außerdem nimmt der NW-Wind deutlich zu. Das  Schiff beginnt zu rollen. Einige Passagiere werden etwas blass um die Nase.

 

Ein paar von den Akteuren des Expeditionsteams: Achim, Renate und Monika sorgen für gutes Wetter und gute Stimmung (Drygalski Fjord, hier am Gletscher ist es eisekalt)

 

Nachmittags gibt es für viele das erste große Highlight der Reise. Langsam nähert sich Kapitän Aldegheri einem riesigen Tafeleisberg. Er ist 4 km lang, 8 km breit und 35 m hoch, damit ist die Eisplatte etwa 175 m dick. Wir sind ungefähr 600 m mit unserer Ushuaia entfernt, sagt das Radar. Da es aber auf dem Meer keinen Größenvergleich gibt, fehlen uns jetzt die alternativen Perspektiven, ein Hubschrauber wäre jetzt schön.... Deutlich sieht man die Brandungskehle, wo die Wellen immer wieder an den Eisberg donnern. Der Tafeleisberg erzeugt sein eigenes Mikroklima. Es ist klirrend kalt und der Wind pfeift nun derart, dass wir uns immer wieder auf die warme Brücke zurückziehen.

 

 

Auf diesen Rieseneisberg stoßen wir noch nördlich von Südgeorgien. Sichtbare Höhe 35 Meter. Die fünf Pünktchen rechts im Bild sind Wanderalbatrosse mit 3,60 Metern Spannweite.

 

Die ersten drei Tage sind wir so gut vorangekommen, dass Monika uns schon Hoffnung macht, am 4.Tag spätnachmittags vielleicht schon im Norden Südgeorgiens eine Zodiacfahrt in der Elsehul Bay unternehmen zu können. Doch das Wetter ändert sich hier sehr schnell. Der starke Wind macht dieses Vorhaben zunichte. Wir müssen unsere Fahrt drosseln und erreichen Südgeorgien erst in der Nacht.

Nach dem Abendessen werden wir erstmals, da wir uns nun in der Antarktis befinden, das Schiff verdunkeln. Die Mannschaft reduziert die Lampen draußen an den Decks und dunkelt alle Fenster ab, damit die vielen nachtaktiven Seevögel nicht von unserem Licht angelockt werden. Sobald sie auf dem Deck landen, kommen sie von allein nicht mehr weg. Bei diesen eleganten Fliegern sind meist die Füße zu schwach ausgebildet, um den Körper zu tragen.

Früh geht es ins Bett. Die nächsten Tage wird Monika uns um 6 Uhr morgens wecken. Ab 6:30 Uhr beginnt „die Schlacht am Frühstücksbüffet“, um Berge von Eiern mit argentinischen Rindswürstchen und frischen Obstsalat zu spachteln, denn jeder möchte pünktlich ab 8:00 Uhr an Land.

 

5. Schiffstag:  Fortuna Bay und Prion Island

Das Wetter ist schön. Viele stehen schon um 7:45 Uhr gestiefelt und gespornt an der Gangway parat. Endlich geht es an Land, alles hofft auf die erste große Königspinguinkolonie. Vier Stunden haben wir Zeit. Am Ufer erwarten uns die See-Elefanten, ein paar große Männchen, viele Weibchen und auch schon Jungtiere. Dazwischen tummeln sich vereinzelt Pelzrobben. Fortuna Bay ist weitläufig. Man kann bis zum Fluss wandern. Dort stehen ein paar Gruppen mausernder, erwachsener Königpinguine.Vorsichtig gewöhnen wir die Gäste an den Umgang mit den noch scheuen Pinguinen. Wir sind schließlich die ersten Besucher dieses Jahr. Wenn man weiter auf die Endmoräne wandert, sieht man den Gletscher. Aber wo ist die Kolonie mit den Königspinguinen? Zu unserem stillen Entsetzen ist die sicherlich über 10.000 Tiere zählende Königspinguin-Kolonie weg (siehe Bericht über frühere Südgeorgienreisen hier). Es gibt nur einige hundert verstreut mausernde Vögel. Am nächsten Tag löst der Fischereidirektor von Grytviken auf unsere Fragen hin das Rätsel: Der Osten der Insel  wurde von schweren Eis- und Hagelstürmen heimgesucht, die die Jungen möglicherweise vernichtet haben. Die Altvögel sind daraufhin erst einmal ins Meer zurückgegangen. Jetzt im November kehren sie zurück. Nach der Mauser werden sie sich wieder in der Kolonie sammeln und mit einer neuen Brut anfangen.

 

 

Unsere Gruppe vor der sich neu bildenden Fortuna-Kolonie (zum Vergleich siehe ein Foto das Renate 2007 hier gemacht hatte: aus dem Reisebericht 1995-2007)

 

Nachmittags um 14:00 Uhr besuchen wir in zwei Gruppen  Prion Island. Nur wenige Schiffe erhalten die Erlaubnis, die Brutplätze der Wanderalbatrosse aufzusuchen. Unser Permit gilt auch nur für heute nachmittag. Der Wettergott ist uns hold und die Anlandung klappt problemlos. Am Ufer erheben sich die Pelzrobben und zeigen, wer Herr über den Strand ist. Wir bewegen uns vorsichtig und sie lassen uns gnädig passieren. Vor dem Tussockgras, das vielfach durch die Pelzrobben ganz platt gedrückt und z.T. abgestorben ist,  befindet sich eine kleine Eselspinguinkolonie. Wir können sie beim Nestbau und Steineklau beobachten. Die ersten liegen breit auf dem Bauch. Sie haben schon Eier und gerade mit der Brut begonnen.

Monika führt uns nun die neu errichtete Holztreppe zu zwei Plattformen hinauf. Wir sind wohl die ersten, die sie benutzen. Die Treppe ist gerade fertiggestellt worden und wir sind derzeit das erste Schiff vor Südgeorgien. Auf dem Weg nach oben begleiten uns Spitzschwanzenten, die weiter südlich in der Antarktis nicht mehr vorkommen. Endemisch, also nur in Südgeorgien heimisch, ist auch der Riesenpieper, der laut sein Lied schmettert.

  

Markus und Renate beobachten einen ca. 10 Monate jungen Wanderalbatros, der fleißig seine Flügel übt. Für solche Fotos reichen 300/400mm Brennweite bei Kleinbild.

 

            Von den beiden Plattformen aus können wir in einiger Entfernung Nester mit älteren Jungvögeln des Wanderalbatros sehen. Sie müssten etwa neun Monate alt sein. Immer wieder stehen sie auf und trainieren ihre Flugmuskulatur oder knabbern am Gras. Sie erwarten die Eltern, die alle paar Tage zurückkommen, um sie zu füttern. Der Brutzyklus der Wanderalbatrosse ist 13 Monate lang. Nur an einem Nest sehen wir beide Altvögel. Es sind schon sehr imposante Tiere mit bis 3,60 Metern Flügelspannweite!

Von der höheren Plattform aus blickt man auch auf die Start- und Landebahn der Albatrosse. So elegant sie in der Luft fliegen, so tolpatschig wirken sie an Land. Sie müssen genügend Anlauf nehmen können, um abzuheben. Auch für die Landung benötigen sie Platz. Außerdem haben wir einen schönen Blick auf ein Nest mit einem Riesensturmvogel. Auch diese Vögel nutzen die Start- und Landebahn.

Von der tieferen Plattform blicken wir über die Felsküste, die größtenteils mit gelben Krustenflechten bedeckt ist. An den Klippen fliegen Rußalbatrosse. Zum Fotografieren sind sie zu weit, aber mit dem Fernglas kann man sie gut erkennen.

Die erste Gruppe hat noch Sonnenschein. Doch plötzlich zieht sich der Himmel zu. Es wird windig. Es sieht sogar nach Schnee aus. Wetterumschwünge passieren auf Südgeorgien sehr schnell. Trotzdem bekommt auch die zweite Gruppe einen schönen Eindruck von den Wanderalbatrossen.

Als die zweite Gruppe mit den Zodiacs wieder zurückkehrt, zeigen sich in der Bucht zwei Seeleoparden. Neugierig heben sie immer wieder ihren großen Kopf aus dem Wasser und schauen, was wir so treiben.

Zum Abschluß des Tages fahren wir langsam entlang der Salisbury Plain, die in der Bay of Isles gegenüber von Prion Island liegt. Eigentlich war für heute morgen die Anlandung bei Salisbury geplant, doch der NW-Wind mit 60 km/h verursacht immer noch eine lange Dünung mit ausgeprägter Brandung am Strand, die eine Anlandung nach Meinung des Kapitäns und des Expeditionsteams absolut unmöglich macht. Viele sind sehr enttäuscht, aber so können wir wenigstens mit dem Fernglas die große Kolonie betrachten. Zur Begrüßung lassen sich die Weißgesicht-Scheidenschnäbel auf der Reling nieder. Aber auch diese Kolonie hat sichtbar weniger Pinguine, verglichen mit unseren früheren Besuchen. An Land erkennen wir Gruppen von Altvögeln und Kindergärten mit den braunen Küken. Der Hang ist noch wenig mit Pinguinen bevölkert. Doch auch hierfür hatte der Fischereidirektor von Grytviken am nächsten Tag eine Erklärung: “Viele erwachsene Königspinguine werden erst in den nächsten Tagen zur Mauser und dann zur Brut kommen.” Es ist eben erst zeitiges Frühjahr und die Pinguine sind vielleicht etwas später dran als sonst ?!

 

6. Schiffstag: Stromness Harbour und Grytviken mit Hochzeit

Heute Morgen steht Stromness Harbour auf dem Programm. Wir landen nahe der ehemaligen Stromness Walfangstation an, die später auch als Schiffswerft für Reparaturen verwendet wurde. Daher liegen viele Schiffsschrauben herum. Die Station darf wegen der Asbestgefahr nicht betreten werden. Doch auch von weitem sieht man die immer mehr im Verfall begriffenen Häuser.

Am Strand liegt ein mächtiger See-Elefantenbulle mit seinem Harem. Er hat viel Stress, denn im Wasser lauert ein weiterer Bulle, der versucht, ein Weibchen zu bekommen. So muss der Revierinhaber mit weit aufgerissenem Maul drohen. Wenn das nicht genug imponiert, walzt er robbend mit seinem schweren Körper auf den Gegner zu, damit dieser ins Wasser zurückweicht. Weibchen und Junge müssen dann sehen, dass sie schnell aus dem Weg weichen. So manches Junge ist bei solchen Aktionen schon platt gedrückt worden.

 

  

Strand von Stromness mit Walfangstation im Hintergrund. Wanderung ins Hinterland von Stromness.

 

Hinter der Station grast eine Herde Rentiere. Die Walfänger hatten einst in den 1920er Jahren wenige Rentiere aus Norwegen als Frischfleischversorgung hier eingeführt. Die Tiere haben sich so gut akklimatisiert, dass der Bestand heute ca. 3.000 Tiere zählt, zuviele für die fragile Vegetation. Wir wandern weiter ins Inland. Es beginnt etwas zu nieseln. Prächtige Moospolster und Flechten säumen unseren Pfad. Wir kommen zu kleinen Eselspinguin-Kolonien. Zahlreiche Kopulationen sind zu beobachten. Die ersten haben schon Eier. Manche sind von Skuas geklaut, angepickt und der Inhalt aufgeschleckt worden. Einige von uns gehen bis zum Wasserfall, um der Spur von Sir Ernest Shackleton zu folgen. Seine dritte “Transantarktische Expedition” (1914-16) stand unter keinem guten Stern. Nachdem sein Schiff schon am Beginn der Reise im Wedellmeer gesunken war, stand die Rettung seiner Leute im Vordergrund. Am 5. April 1916, also im beginnenden Winter, kam Shackleton mit vier Gefährten von der King Haakon Bay im Westen Südgeorgiens nach einem 36-stündigen Marsch über das verschneite Gebirge zur Fortuna Bay und stieg den vereisten Wasserfall hinunter. In Stromness holte er  bei den Walfängern Hilfe für seine 22 Kameraden, die noch auf Elephant Island/Südshetland ausharrten.

Nachmittags fahren wir in die geschützte King Edward Bay, vorbei an der Station des British-Antarctic-Survey auf King Edward Point. Zunächst kommt der Fischereidirektor und Hafenmeister an Bord, der für unsere Eindeklarierung nach South Georgia/Großbritannien sorgt. Nachdem alle Zoll- und Paßformalitäten erledigt sind, ist es für Elke und Hugo so weit. Alle sind zur Hochzeit in die Kirche von Grytviken eingeladen. Standesbeamtin ist die Frau des Fischereidirektors. Sie verrät uns, daß dies erst ihre dritte Hochzeitszeremonie innerhalb von 10 Jahren ist. Trauzeugen sind zwei Reiseteilnehmer, Alice und Manfred. Alle sind gerührt. Es ist eine feierliche Zeremonie. Danach lädt Hotelmanager Osvaldo Sofer zum Sektempfang. Wir wünschen den beiden viel Glück und ein langes Leben.

 

    

Osvaldo hat alles perfekt organisiert. Egla servierte gekonnt den Schampus und die beiden Glücklichen hatten "Ja" gesagt und stehen jetzt frierend in der Landschaft.

 

Danach ist noch genügend Zeit, sich die alte norwegische Walfangstation Grytviken anzusehen. Sie ist von 1904-65 betrieben worden. Seit 2006 wurden die Gebäude wegen Asbestverseuchung abgebaut und tief vergraben. Alle Maschinen zum Kochen des Walfetts, die Tanks, die Ketten, um die Wale in den Anfangsjahren auf das Flensdeck zu ziehen, vermitteln uns einen Eindruck, was für eine Schwerindustrie in der Einsamkeit tausende Meilen entfernt vom Mutterland die Norweger hier aufgebaut hatten, um Walöl für die Margarineproduktion im wachsenden Europa zu produzieren. Schon damals haben die Norweger mit Öl viel Geld verdient. Im Museum gibt es interessante Ausstellungen zum Walfang und zur Tierwelt Südgeorgiens. Briefmarken-Liebhaber können zwischen 17 und 18 Uhr auch zum Postamt nach King Edward Point, um Ersttagsbriefe mit den begehrten Stempeln zu erwerben. Viele schauen sich den Friedhof an, der sich außerhalb der Station befindet. Hier liegt Sir Ernest Shackleton in einem schlichten Grab, nachdem er auf seiner vierten Antarktis-Expedition auf dem Schiff Quest vor Südgeorgien am 5. Januar 1922 an Herzversagen gestorben ist.

 

7. Schiffstag: St.Andrews Bay

Heute ist der große Königspinguintag. Das Wetter ist einfach super und ermöglicht uns eine Anlandung in der ganz rechten Ecke der Bay, die einigermassen geschützt liegt. Oftmals sind Landgänge wegen der Brandung in der offenen Bucht gar nicht möglich. Am Vorabend verteilte Osvaldo Sofer auf unseren Rat hin Plastiktüten, damit Kameras wasserdicht gepackt werden können, denn einzelne von uns sind doch beim Aussteigen nass geworden.

 

  

Wir haben nicht nur eine nasse Anlandung, nein wir müssen auch noch zweimal durch den Fluß waten, um zu den Pinguinen zu kommen. Profi Michael Fogden schaut und staunt, bevor er loslegt mit seinen Fotos.

 

In der St.Andrews Bay befindet sich die größte Königspinguin-Kolonie auf Südgeorgien (über 300.000 Vögel zusammen mit den Jungen), das entspricht etwa einem Viertel aller Königspinguine auf Südgeorgien. Die Kolonie zieht sich bis weit ins Inland. Viele etwa 9 Monate alte Junge stehen zu beiden Seiten des Schmelzwasserflusses. Im Laufe des Tages kommen immer mehr Eltern zurück, um ihre nimmersatte Brut zu füttern. Die Kleinen picken am Unterschnabelrand des Altvogels, der daraufhin die Nahrung aus seinem Magen würgt. Sie betteln aber auch rabiat weiter, selbst wenn nichts mehr da ist.  Die Jungen sind sehr neugierig und zutraulich. Bleibt man stehen oder setzt sich hin, kommen die braunen “Fetttönnchen” zwitschernd und mit ihren Flügelchen schlagend immer näher. Sie brauchen nicht die 5 Meter Mindestabstand einzuhalten! Mausernde Erwachsene verharren ganz still, um möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Während der 30 Tage dauernden Mauser können sie nicht im Wasser Nahrung aufnehmen, da ihre Isolation nicht gewährleistet ist. Nach der Mauser verbringen sie kurze Zeit im Meer, um möglichst viel zu fressen. Ende November werden sie mit dem Brutgeschäft beginnen. Im Januar sind dann sowohl die neugeschlüpften Küken wie auch 11-12 Monate alten Junge in der Kolonie. Zwischen den Pinguinen picken die Scheidenschnäbel Aas, Federn und Kot. Sie hoffen aber auch auf unbewachte Eier. Sie sind die Gesundheitspolizei der Kolonie. Skuas und Riesensturmvögel patrouillieren die Gegend auf der Suche nach schwachen Küken und Aas.

 

  

Wir sitzen hier und können uns an den Jungvögeln nicht satt sehen.

 

Am Strand liegen viele See-Elefanten; alte Bullen mit ihrem Harem. Dazwischen sind zahlreiche Junge, die noch das dunkle, wärmende,  aber noch nicht wasserabweisende Haarkleid haben. Sie werden 21 Tage von ihren Mütter mit bis zu 40% fetthaltiger Milch gesäugt, damit sich die isolierende Fettschicht bilden kann.

 

  

Überall gibt es Action: am Strand rangeln die Bullen und in der Kolonie füttern die Alten.

 

Es gibt soviel zu beobachten, dass Monika beschließt, den ganzen Tag in der St.Andrews Bay zu verbringen. Nur Mittags geht es für den Lunch zwei Stunden aufs Schiff zurück.

Nach dem Essen gibt es zunächst eine Zodiac-Tour entlang des gesamten Strandes: Wir besichtigen den Cookgletscher. Viel Moränenschutt liegt auf dem Gletscher. Auch hier macht sich die Klimaerwärmung bemerkbar. Die Brandung ist überall stark außer an unserem Landeplatz. Unsere “shore party” bei den Königspinguinen endet um 19:00 Uhr. Die Sonne ist gerade hinter den Berggipfeln verschwunden. Alle kehren happy und voller intensiver Eindrücke auf die Ushuaia zurück. Abends orgeln überall die Festplatten und schlucken tausende von neuen Bildern.

 

 

8.Schiffstag: Gold Harbour, Zodiactour und Anlandung in der Cooper Bay

Gold Harbour ist ein landschaftliches Juwel, eine kleine Bucht, die von der Gletscherszenerie des Betrab Glaciers eingerahmt wird. Die Sonne scheint erneut und es ist richtig warm. Es ist kaum zu glauben, das wir in der Antarktis sind.

Am Strand ruhen dicht an dicht die See-Elefanten. Es gibt nicht genug Platz, daher sind die Haremsbullen sehr aggressiv. Wir beobachten viele Drohgebärden und auch richtige Kämpfe. Die Bullen reißen ihre Mäuler auf, blähen den Nasenrüssel, versuchen sich gegenseitig wegzuschieben oder prallen mit den Oberkörpern zusammen. Einige Tiere sind verwundet, sowohl alte Bullen wie auch jüngere Tiere, die wegen der Enge zwischen die Kämpfenden geraten sind.

 

   

Ein "Makropinguin" - Das Model und sein Fotograf: Dieser Königspinguin wollte es wissen, was macht der Typ da? So kommt er bis auf 1,47m heran gewatschelt und bleibt glücklicherweise stehen, denn da endet auch meine Naheinstellung beim AF-S 4/300mm Nikkor, lässt sich in aller Ruhe fotografieren und pennt dann einfach vor meiner Kamera ein! Na so was?

 

Außerdem beobachten wir zahlreiche Paarungen. Oft hält der Bulle das manchmal unwillige Weibchen mit seiner Flosse fest umarmt. Nachdem die Mütter ihre Babies geboren haben, sind sie nun wieder paarungsbereit. Nach dem Haarwechsel kehren die Tiere für Zweidrittel des Jahres ins Meer zurück. Als erstes werden Mitte bis Ende November die Haremsbullen die Strände verlassen. Während ihres Landaufenthaltes konnten sie keine Nahrung zu sich nehmen, da sie mit der Revierverteidigung voll beschäftigt waren.

Da es so warm ist, schaufeln sich die See-Elefanten Kies über den Rücken, um sich vor Austrocknung und Sonnenbrand zu schützen. Selbst die Babies machen dies schon instinktiv. Einige Tiere haben tränende, verklebte oder rote Augen wegen der intensiven UV-Strahlung.

Oberhalb des Strandes ist alles mit Tussockgras bewachsen. Das Habitat sieht daher völlig anders als in der St.Andrews Bay aus. Viele Königspinguine stehen im Tussock und im Bach. Die Jungen hier gehören deutlich sichtbar zu zwei Generationen: den Früh- und Spätbrütern. Sie sind deshalb zwischen knapp sieben und neun Monaten alt. Die Erwachsenen haben Schwierigkeit aus dem Meer zwischen den See-Elefanten hindurch zu ihren Jungen zu gelangen. Manche müssen einen richtigen Spießrutenlauf zurücklegen.

 

Es gibt auch eine kleine Eselspinguinkolonie hinter dem Bach. Sie bauen hier keine Nester aus Steinen, sondern nehmen Gras als Nistmaterial. Viele haben schon zwei Eier. Oben an den Klippen segeln Rußalbatrosse, die wir gut mit dem Fernglas verfolgen können.

Nach dem Lunch erreichen wir die Cooper Bay. Da am nächsten Tag der Sturm wieder stark zunehmen soll, hat Monika heute für uns ein randvolles Programm geplant. Zunächst machen wir eine etwa dreiviertelstündige Zodiactour durch die drei Buchten in der Cooper Bay. Pinguine zeigen uns ihr “Delphinschwimmen”. Pfeilschnell schießen sie aus dem Wasser, atmen rasch ein und aus, um viel Sauerstoff aufzunehmen, um dann wieder ins Wasser zu tauchen. Diese Methode ermöglicht ihnen ein sehr schnelles Schwimmen.

Die Landschaft ist großartig. Geologisch befinden sich hier die ältesten Gesteine Südgeorgiens, Reste vom Superkontinent Gondwana (250 Mio. Jahre). Sedimentgesteine zeigen starke Verwerfungen und Faltungen. Viele Felsen sind mit gelben oder rot leuchtenden Krustenflechten überzogen. Langsam fahren wir mit dem Zodiac in eine enge Schlucht aus steil aufragendem, dunklem Basaltgestein (110-140 Mio.Jahre). 

Wander- und Schwarzbrauen-Albatrosse, Graumantel- und Rußalbatrosse sowie Kormorane fliegen dicht über uns. Auf den Felsen sehen wir erstmals Zügelpinguine. In einer kleinen Bucht kehren die Macaronies (Goldschopfpinguine) zurück. Zu ihrer Kolonie müssen sie steil hinaufwatscheln.

 

  

Endlich Macaronies vor der Linse: Andreas, Karl-Heinz und Hans-Peter fotografieren, was der Speicher hergibt.

 

Um 17:00 Uhr landen wir nahe der Macaroni-Kolonie. Das Expeditionsteam führt die Gruppe einen steilen, rutschigen Pfad hinauf. Nicht weit entfernt begleiten uns Eselspinguine, die ebenfalls weiter oben eine Kolonie haben. Wir staunen, wie schnell sie an uns vorbeiziehen.

Vorsichtig nähern wir uns der Macaroni-Kolonie, die mitten im Tussock versteckt liegt. Macaronis sind die häufigsten Pinguine auf Südgeorgien. Ihre Zahl wird auf 2,4 Mio. Brutpaare geschätzt. Diese Pinguine haben noch nicht mit der Brut begonnen. Einzelne Vögel beobachten wir beim Nestbau.

Im Laufe des Nachmittags verschlechtert sich das Wetter. Wolken ziehen herbei, der Wind frischt auf. Wir bleiben bis 19:00 Uhr. Die Gangway bewegt sich wegen des Windes stark. Das Schiff rollt. Die Rückkehr aufs Schiff ist daher nicht so einfach. Doch das Zodiac-Team arbeitet wie immer perfekt und effizient und alle kommen trocken an Bord. Das liegt sicher auch an der Erfahrung, selbst für die Antarktis Grünschnäbel ist das jetzt mindestens die 10. Zodiac-anlandung.

Kapitän Jorge Aldegheri sucht uns einen relativ ruhigen Schlafplatz, da man nicht im Drygalski-Fjord übernachten darf. Langsam fahren wir an zahlreichen Tafeleisbergen vorbei, die vor der Cooper Bay bis zur Öffnung des Drygalski Fjordes liegen. Allerdings ist es schon ziemlich dunkel.

 

9. Schiffstag: Drygalski Fjord

Morgens nehmen wir Kurs auf den schmalen Drygalski Fjord. Langsam gleitet die Ushuaia erneut entlang der Tafeleisberge. Es ist eine richtige Eisberg-Cruise. Ein tolles Erlebnis, mit dem niemand rechnen konnte. Um uns herum sieht es aus wie im Weddell Meer. Dafür muss man normalerweise eine Extrareise unternehmen. Ungewöhnlich viele Tafeleisberge sind hierher getrieben. Es muß im Weddellmeer also große Eisabbrüche gegeben haben. Einerseits sind wir begeistert von der Schönheit und Grandiosität, andererseits werden wir nachdenklich, denn verantwortlich für dieses Erlebnis ist die Klimaerwärmung. Das Kalben der Schelfeise und damit die Produktion der Tafeleisberge schreitet immer schneller voran.

Am Ende des Drygalski kalbt der Risting-Gletscher in den Fjord. Vorher passieren wir den Phillipi-Hängegletscher, der schon stark zurückgeschmolzen ist. Bis 150 m fährt Kapitän Jorge Aldegheri vor den Risting-Gletscher. Etwa 50 m erheben sich die höchsten Stellen der Gletscherfront. Alle stehen dick vermummt an der Reling. Kalte, katabatische Winde wehen den Gletscher hinab. Wir warten gespannt auf Eisabbrüche. Und wir werden nicht enttäuscht. Pelzrobben spielen im klaren Gletscherwasser. Küstenseeschwalben und die weißen Schnee-sturmvögel ziehen ihre Kreise.

Wir nehmen noch einen ruhigen Lunch im Fjord und dann gilt es, die Kabinen sturmfest zu machen. Alles muß gut verstaut werden. Beim Hinausfahren passieren wir noch einmal die Tafeleisberge, die im Sonnenschein glitzern. Ein Eisberg zeigt sein schönes Tor. Doch dann kommen wir ins offene Meer. Sechs Meter hohe Brecher schlagen über den Bug bis auf die Brückenscheiben.  

 

 Ohne Worte (c) A.Kostrzewa

 

10.- 13.Schiffstag: auf See

Seit gestern Nachmittag sind die meisten von uns mehr oder weniger seekrank und auf den Kabinen. Nur ein paar Leute treffen sich beim Essen. Der bis 60 Knoten starke Wind weht von vorne. Das Schiff stampft und rollt. Die Matrazen aus den oberen Betten liegen auf dem Boden, damit keiner aus dem Bett fällt. In den ersten eineinhalb Tagen fallen sogar die Vorträge aus. Dann beruhigt sich der Wind etwas. Das Schiff rollt zwar noch, so dass man sich beim Gehen gut festhalten muss. Doch immer mehr Gäste kommen aus den Kabinen und können wieder essen. Zur Abrundung unserer Reiseerlebnisse bieten Monika, Dany und wir wieder Vorträge an. Am letzten Abend genießen wir im ruhigen Beaglekanal das Kapitänsdinner. Zum Abschluß zeigt Markus mit seinem Beamer auf einer aus einem Betttuch improvisierten Leinwand in der gemütlichen Lounge die jeweils besten 20 Fotos von einigen Gästen. Danach präsentieren die Profis Markus und Ingo ihre Bilder. Ein schöner Ausklang für eine tolle Reise.

 

 

14. Tag: Ausschiffung in Ushuaia

Morgens um 8 Uhr verlassen wir unsere liebgewordene Ushuaia. Bis zum Abflug ist noch Zeit für einen Rundgang in der südlichsten Stadt der Welt für die Argentinier! Für die Chilenen ist diese das gegenüber im Beaglekanal gelegene Puerto Williams, das für die Argentinier allerdings nur als Marinestützpunkt gilt.

Die meisten fliegen jetzt zurück nach Hause, einige unternehmen noch ein Nachprogramm nach Patagonien oder zu den Iguazú-Wasserfällen.

 

FAZIT: Für uns persönlich war es mit die beste Südgeorgienfahrt seit dem Südsommer 1995/96, denn wir haben exakt das optimale Wetterfenster erwischt. Alle Anlandungen klappten. Der Sonnenschein sorgte stets für eine gute Beleuchtung der Szenerie. Wir können mit dem Ergebnis also mehr als zufrieden sein.

 

Renate & Achim Kostrzewa (am 4.12.08)

 

.... übrigens im März/April 2009 erscheint unser neues Buch „Abenteuer Arktis – Kreuzfahrten zwischen Grönland, Spitzbergen & Franz-Joseph-Land“ wieder im CJ Bucher Verlag, München.

 

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