Immer neue Kameras - Haben und Sein
oder - "The thrill is gone..., baby" (BB King)
früher hieß es "haben oder nicht-haben", wenn es bei mir um Fotogeräte ging. Als junger Mann litt ich, wie viele Leidensgenossen, unter dem "nicht-haben-können", was teuere Superteleobjektive betraf. Mit 37 hatte ich denn diese endlich (10-15 Jahre zu spät) und fand wenige Jahre danach in der Antarktis heraus, das meine begehrten Superteles meist ein Schattendasein auf dem Schiff fristeten und die leichten lichtschwachen, wie das AF 4/300mm das Rennen machten, wenn es um die besten Aufnahmen ging, die auf den jeweiligen Reisen entstanden waren!
Pinguine mit Jungen auf unserer zweiten Antarktistour über die westliche Antarktische Halbinsel. Technik: Nikon F4s, AIS 3,5/400 IF-ED auf dem großen Linhof Stativ. Das ist ein ziemlichers Stück Equipment für antarktische Anlandungen! Tableau aus unserem Antarktis Buch, CJ Bucher-Verlag 2006 © A.Kostrzewa (1/1996)
So wurde ich von "Gear-aquisition-syndrome" durch die Praxis Mitte der 1990er Jahren geheilt: denn, wenn du alles erstmal selbst per Zodiac an Land schleppen mußt und von dort auch noch zur Location, ist es besser schnell zu sein und das Stativ in der begehrten 1.Reihe stehen zu haben und nicht mit hängender Zunge später zu kommen, weil dein Rucksack einfach wieder zu schwer und/oder die Fitness nicht ausreichte.
So gerne ich z.B. das große 400er vom großen Stativ aus benutzt habe und die Dias unbestritten von Top Qualität waren, mit dem kleinen AF 4/300er bekam ich mehr brauchbare "Keeper" und Top Shots. Das Ding war einfach weniger schwer und sperrig, quasi immer dabei und neben dem AF 2,8/80-200 die Brot und Butter Linse, wenn man die Anteile an den verkauften/veröffentlichten Fotos betrachtet.
Das führte dann 2001 dazu, daß ich das 300 + 400er gut verkaufte und gegen das neue AF-S 4/300 mit passendem Konverter TC14eII eintauschte (und noch Geld für eine schöne Reise übrig blieb). Das führte dann zu noch mehr und besseren Bildern, vor allem bei den Flugaufnahmen, was auch wiederum dem 51-AF-Feldern meiner Digitalkameras (ab 2007) zu danken ist. Die F4 hatte da nur ein Feld in der Mitte vorzuweisen, was für die Bildgestaltung nicht so sehr von Nutzen ist.
Dieses überaus attraktive Foto habe ich aus Pembroke,(Wales) mitgebracht: Papageitaucher trägt nach starken Regenfällen in der vergangenen Nacht vermehrt Nistmaterial in die feuchte Höhle, um den Boden wieder "trocken" zu bekommen. Hier Taubenkopfnelken, die über all im Bereich der Kolonie wachsen. Technik: D700, 400 ASA, AF-S 4/300mm, f/8, 1/1000sec. freihand. Follow-AF Mitte links plaziert. © A.Kostrzewa (7/2012)
Die Beschränkung auf eine kleinere Ausrüstung führte dann zum "nicht-mehr-haben-wollen." Weil, ich bin Fotograf genug, um zu sehen, daß meine damalige geringere Erfolgsquote vor allem zwei Gründe hatte:
- zuviel zu wollen
- noch nicht genug zu können
Die falsche Einschätzung des eigenen Könnens findet man - mit etwas Selbstkritik - irgendwann selbst heraus: Landschaften, Makros oder Biologiefotos gingen schon immer ganz gut, doch für die Top-Aktion-Fotos von Tieren hatte ich lange nicht die richtigen Voraussetzungen. Entweder die falsche Location oder nicht das richtige Tele. Statt eines schweren Superteles, hat sich die richtige Wahl der Location als wichtigster Booster für meine Tierfotografie erwiesen. Dazu kamen noch die Filmkosten, die mich als Student immer wieder gebremst haben: wenn ein kompletter Diafilm bei Dauerfeuer in 6 Sekunden durch die F 4 Kamera läuft, geht die Actionfotografie auch ins Geld. Für manche Shots brauchte man aber ca. 100 Bilder für ein publikations-reifes. Was bedeutete man setzte gut 30,- DM ein um vielleicht irgendwann einmal 50,- DM Honorar zu bekommen. Das war einfach ein ungutes Verhältnis...
Top Naturfotos entstehen aus der Kombination von Fachwissen über das Sujet, der optimalen Location und fotografischem Können. Das Geheimnis ist oft: lieber näher dran sein zu können (NATÜRLICH ohne zu stören) am Geschehen, als mit langer Linse zu viel Abstand zu haben. "Ist dein Bild nicht gut, warst Du nicht nahe genug dran," so der Magnum Kriegsfotograf Robert Capa. Geringerer Abstand erzeugt irgendwie mehr Emotionalität.
Tordalk Portrait - die Location ist entscheidend: am besten hierfür waren die Insel Inner Farne (Farne Islands) in Nordengland oder am Latrabjarg in Westisland, wo die vorliegende Aufnahme aus nächster Nähe entstand. D300, AF-S 4/300 mit TC14eII. © A.Kostrzewa (7/2009)
Größer geht's nimmer, an der Naheinstellgrenze: Riesensturmvogel satt gefressen auf den Strand von St.Andrews (Südgeorgien). D300, AF-S 4/300 mit TC14eII. © A.Kostrzewa (10/2008)
Der Altmeister der deutschen Tierfotografie Fritz Pölking schrieb: "wenn du es schon nicht gut kannst (er meinte Bildaufbau und Komposition), mach es wenigstens groß." Was im Prinzip das gleiche bedeutet, was auch Capa sagte.
Komponierte Nahaufnahmen wirken noch intensiver:
Unter Einbezug von kompositorischen Regeln wirken extreme Nahaufnahmen noch besser: Königspinguin auf Südgeorgien. D300, AF-S 4/300 an der Naheinstellgrenze von 1,5 Metern. Der Köpi hatte zuvor mich und meine Ausrüstung mit dem Schnabel neugierig untersucht. Ich mußte dann auf dem Hosenboden ein Stück zurückrutschen, um auf die 1,5 Meter mindestabstand meines 300er zu kommen! © A.Kostrzewa (11/2008)
Noch näher, daher Angeschnitten: Northern Buller Albatros im Überflug. D300, AF-S 4/300 © A.Kostrzewa (1/2013, Bounty Inseln, NZ)
Die Digitalfotografie hat da für die Tierfotografie eine oder sogar mehrere neue Qualitäten ins Spiel gebracht:
- deutliche Kostensenkung für Actionfotos
- vor Ort Kontrolle der Ergebnisse (RGB Histogramme)
- wesentlich höhere ISO Empfindlichkeiten
Landschaften und Biologiefotos
profitieren mindestens von den Histogrammen und den Nachbearbeitungsmöglichkeiten, wie ETTR Belichtung oder gar HDR, Focus stacking usw. Wobei mir die beiden Letztgenannten zu zeitaufwändig sind.
AUSSERGEWÖHNLICHES LICHT - Sunset and upcoming thunderstorm over Extremadura, Spain. Die Extremadura ist ziemlich wellig, mit Hügel und Tälern von Flüssen und Arroyos. Die Farben waren wirklich außergewöhnlich, die habe ich nach meinem Seheindruck so gleich entwickelt. Besonders fasziniert hat mich der Kalt- Warm-Kontrast, der zusätzlich noch eine Diagonale ins Bild bringt. Dieses Aufeinanderprallen von Sonne und Gewitterstimmung habe ich in dieser Art vorher noch nie gesehen. Zur maximalen Ausnutzung des Dynamikumfanges des Chips nach der Regel "ETTR" manuell belichtet, das erspart einem oft das HDR, was ich nicht so liebe... Nikon D700, 200ASA, AF-S 4/70-200 VR(off) @ 78mm, f/7,1, exp. manuel to ETTR, mirror up, Novoflex Triopod © Achim Kostrzewa (4/2015)
Morgendlicher Seenebel, Island, Nordküste. Nikon DX, 2,8/80-200@ 80mm, Stativ, Grauverlaufsfilter soft 0,9 ND für den Himmel © Achim Kostrzewa (7/2009)
Island, NW-Küste. Nikon DX, 3,5-4,5/18-35@ 18mm, Stativ, Grauverlaufsfilter soft 0,9 ND für den Himmel © Achim Kostrzewa (7/2009)
Biologiefotos kann man auch "schön" gestalten. Isländischer Mohn. Nikon D300, 500ASA, AI-S Micro-Nikkor 4/105, f/11, manuel 1/160 sec., ABM = 1: 1,5 Novoflex Triopod, Einstellschlitten, Pflanzenklemme © Achim Kostrzewa (7/2015)
Streetfotos
Manchmal mache ich ja auch Streetfotos. Hier ist für mich die hohe ISO und der AF Bild entscheidend. Der AF zumal man als "Best Ager" immer fehlsichtiger wird. Bei mir ist es die Kurzsichtigkeit seit früher Kindheit, die mittlerweile nicht mehr mit Gleitsicht zu korrigieren ist. Das führt dazu, daß ich mit der Fernbrille fotografieren muß, dann aber quasi im Nahbereich alles nur unscharf sehe, z.B. beim Bedienen der Kamera oder bei der Bildkontrolle über die Brille schauen muß, um den Monitor scharf zu sehen. Kameras ohne Dioptrieneinstellung am Sucher gehen gar nicht (wie die Fuji x pro 1, leider, die x pro 2 hat das jetzt).
Wo bleibt denn nun mein Kaffee?
Ein wenig "Street" und "People" in Madrids Altstadt. Neben den klassischen Brennweiten 35 und 50mm nehme ich auch gerne mal ein starkes Tele (hier 300mm eff. am DX/APS-C Sensor) zur Hand, um Leute unbemerkt zu portraitieren. Das DX-Nikkor 55-200VR ist ganz prima klein und unauffällig. D300, 400 ASA, VR 55-200 @ 200mm, f/7,1, 1/500sec. © Achim Kostrzewa (3/2015)
Hey ist dieser Typ nicht süß? oder so...
"People" in einem Pariser Straßencafe. Hier nehme ich ein kleines, starkes Telezoom (hier 300mm eff. am DX/APS-C Sensor) zur Hand, um Leute unbemerkt zu portraitieren. Das DX-Nikkor 55-200VR ist ganz prima klein und unauffällig und liefert im Bereich von f/6,3-7,1 topp scharfe Bilder, was von DxO-mark bestätigt wird. D300, 400 ASA, VR 55-200 @ 200mm, f/7,1, 1/500sec. Die Kamera liegt auf dem übernächsten Nachbartisch, an dem wir Kaffee trinken, eingestellt über Life-View. © Achim Kostrzewa (5/2015)
Fazit: meiner persönlich Entwicklung und Erfahrung über die letzten >20 Jahre: eine angepaßte, kleine Ausrüstung, die einen nicht behindert, sondern unterstützt in dem Bemühen zu guten Fotos zu kommen und die richtige Location führt zu guten Fotos.
Schlechte Locations lassen sich auch mit Supertechnik nicht gut für Topfotos nutzen. Ich stecke also lieber mehr Geld und Aufwand in Recherche und die Anreise zu guten Locations, als in Fotogeräte. Sprich, lieber mit einem kleinen 300er in die Antarktis oder auf einer Vogelinsel, in eine tolle Vogelkolonie, als mit einem superteuren 600er zu Hause zu fotografieren, weil kein Geld für eine Reise mehr übrig ist...
Optimale Locations bringen auch optimale und unvergessliche Erlebnisse & Ergebnisse:
Besser kann man es nicht haben: 2008 auf Südgeorgien haben wir einen ganzen Tag Zeit in der St. Andrews Bay: Besser geht's wirklich nicht! Wer da nicht mit spektakulären Aufnahmen zurückkommt, ist selber schuld. © Achim Kostrzewa (11/2008)
St. Andrews Bay, Abendstimmung bei den Königspinguinen. Eines meiner letzten Bilder vor dem Einpacken der Kameras... An diese Anlandung werde ich mich meinen Lebtag erinnern! Nikon DX mit manuellem Ai 2,8/28 mm, Stativ © Achim Kostrzewa (11/2008)
Auch dies ist so ein unvergessliches Erlebnis: die Wanderung über den dampfenden Vulkanboden der Südshetland Insel Deception war wirklich keine "Enttäuschung." Die Clusterkolonie der Zügelpinguine war einfach riesig... Nikon F4 mit AF 2,8/80-200 auf Fujichrome 100, Scan vom Dia © Achim Kostrzewa (1/1996)
Geschrieben habe ich diesen Artikel schon im Herbst 2015, dann hatte ich keine Zeit ihn fertig zu machen. Dazu wird es in Kürze noch einen zweiten Teil geben: "Einfach immer nur Fotos machen...", der meinen einfachen, aber effizienten digitalen Workflow beschreibt.
Fachbegriffe wie "ETTR" (expose to the right), "HDR" oder "Stacking" bitte googlen
Text und Fotos © Achim Kostrzewa (2015-16)