VR-Nikkor 5,6/200-500mm, neues Zoom für Tierfotografen ?

Immer wieder steht man als Fotograf auf Reisen zu/durch Tierkolonien vor Problemen:

Zuletzt im August/September auf Galapagos: Während die Gruppe in weitem Bogen über die Lavaklippen wandert, gehe ich den bezeichneten Weg in umgekehrter Richtung am Meer vorbei und will nur bis zu den flugunfähigen Kormoranen. Verzettele mich aber bei den Echsen und Seelöwen.

Doppelkopf: Ausschnitt aus einem Foto mit D300 und VR 70-200@200mm, Galapagos  © Achim Kostrzewa

 

Besonders haben mir es die kleinen Lavaechsen angetan, die teilweise auf den Köpfen der Meerechsen sitzen. Zunächst hatte ich ein wirklich tolles Motiv gefunden, bis ich aber vom Zoom 70-200 auf das 300er mit Konverter gewechselt hatte, war die Eidechse wieder verschwunden, Tierfotografen Pech! Wieder einmal zeigt sich, das man für jedes Objektiv, was man ständig braucht, auch ein Kameragehäuse dran haben sollte. Müßte ich also wie früher zu Filmzeiten in der Antarktis mit drei oder vier fertig montierten Kameras arbeiten! Besser wär's. Aber wer soll das noch schleppen, und wie kriegt man das heute noch alles in den Flieger? Diese Art der Beschränkung bedeutet denn auch, daß man gewünschte Motive verliert, weil man nicht schnell genug die passende Brennweite zur Hand hat.

Unten AF-S 4/300 oben AF-S 5,6/200-500 VR bei 500mm. Es ist 5 cm länger (bei 200mm), 3 cm dicker und 900g schwerer als mein 300er. Quelle: Kameraforum

 

Vielleicht bessert sich das mit dem neuen 5,6/200-500mm VR-Zoom, was für die Arbeit in Tierkolonien genau richtig wäre. Wenn die Qualität stimmt, nehme ich es im Winter mit nach Falkland. Dazu muß ich es aber erstmal in die Finger bekommen, um abschätzen zu können, ob es meinen Anforderungen an Stabilität und Qualität gewachsen ist. Wir werden sehen.

Test Zoom-Nikkor AF-S 5,6/200-500 VR:

Die Bonner Rathausuhr bei 5,6/200mm

bei 5,6/300mm

bei 5,6/400mm

bei 5,6/500mm.

Schärfe und Kontrast bleiben bei offener Blende prima. Aufnahme in RAW. Mit Capture NX2 nach JPEG.fine runtergerechnet und dann durch binning aus 4 Pix mach einen auf Webformat gebracht, nix verändert, vor allem keine Änderung bei Kontrast oder Schärfe. 1/1.000-1/1.250 sec., VR off, vom Novoflex TRIOPOD Stativ

© Achim Kostrzewa  (11/2015)

 

So meine Gedanken noch letzte Woche. Dann erhielt ich Freitags Mittags einen Anruf von meinem Bonner Fotohändler, Foto Brell, er hätte das neue Zoom, ob ich mal gucken kommen wollte. Am folgenden Montag konnte und wollte ich. Pakte mein 300er und die D700 in den Rucksack, schnappte mir mein Reise Novoflex Stativ TRIOPOD und nutzte meine Mittagspause um ein paar Bilder auf dem Bonner Marktplatz mit dem Zoom zu machen. Was soll ich sagen, ich bin hin und her gerissen. Ich hätte sofort zugeschlagen, wenn dieses Zoom mein 15 Jahre altes 300er ersetzen könnte. Es ist zwar 5 cm länger, 3 cm dicker und 900g schwerer, passt aber ohne die voluminöse Sonnenblende sogar noch mit angeflanschter Kamera in den Loewe AW 300 Rucksack. Soweit so einigermaßen gut. Die Blumentopf ähnliche SB ist so fiselich leicht gebaut, das sie wahrscheinlich von den anderen in den Nachbarfächern liegenden Linsen zerdrückt würde. Da wo ich meist fotografiere, dient die SB oft dem Abhalten von Regen von der Frontlinse! Anyway, da müßte man vielleicht eine andere Lösung finden, möglicherweise eine schlankere Einschraubblende für 95 mm Filtergewinde...

Ja und dann der AF. Genau scheint er ja zu sein, aber deutlich langsamer als der blitzschnelle vom 300er ist er schon. D.h. keine Flugaufnahmen mit diesem Zoom! Die langsamen Albatrosse auf Falkland mögen ja noch gehen, aber alles was klein und schnell ist? Das wiederum bedeutete dann, ich müßte beide Objektive mitnehmen und in einem größeren Rucksack unterbringen, wie in meinem alt gedienten Phototrekker Classic, der wiegt dann 14kg und wäre vom Gewicht her nicht mehr Bordgepäck tauglich. Die meisten Airlines wiegen jetzt alles nach, besonders auf Strecken nach und in Südamerika, wo die Maschinen durch Code-Sharing voll ausgebucht sind...

Die ersten Testfotos vom Bonner Rathaus zeigen ein scharf zeichnendes Objektiv. Sogar bei der Anfangsblende von 5,6 habe ich bei jeden 100mm Bilder vom Stativ aus gemacht bei 200 - 300 - 400 - 500mm. Das sieht ganz gut aus und steigert sich logischerweise noch bei f/8. Auch bei 5,6 sehe ich keine deutliche Abnahme von Schärfe und Kontrast in Richtung 500mm.

Trotz relativ viel verbautem Plastik macht das Objektiv einen wertigen Eindruck, bis auf die Sonnenblende. Das ist bei meinem letzten Neuerwerb, dem VR-Zoom 4/70-200 ähnlich. Wobei diese Linse optisch ein Knaller ist und auf Galapagos fast immer auf dem FX Body drauf war. Während das 300er hauptsächlich auf dem DX-Body verwendet wurde.

Dann gibt es noch einen Nachteil, der für mich leider gravierend ist: der behäbige AF. Langsam ist er im Vergleich zum AF-S 4/300, mit dem ich schnell fliegende Papageitaucher hin und wieder noch scharf bekomme. Einige weiterer Artikel dazu im Netz bestätigen das z.B. an einer aktuellen D 810, wo der AF dem Autor auch lahm erscheint. Klar, wenn es keine Nachteile gäbe, würde kaum noch jemand die teueren Profiteles kaufen...

Diese Preisgestaltung kann ich nur im Hinblick auf die Konkurrenz von Tamron und Sigma verstehen. Für ein solches Objektiv mit durchgängiger Blende 5,6 und 2,2m Naheinstellung würde ich bei einem wirklich schnellen AF auch gerne das Doppelte bezahlen...

Das Objektiv ermöglicht zu einem sehr guten Preis (Straße 1.540,- € derzeit) dem Amateur das Vordringen in den Profitelebereich ohne gleich über 10.000,- € zu bezahlen. Ich würde es kaufen, wenn ich nochmal nach Galapagos führe oder für die Antarktis, wenn wir mit zwei Handgepäckstücken einchecken können. Jetzt für Falkland mit einer Gesamtgepäckgrenze von 20kg/Person, wegen der Inter-Insel-Flüge mit Kleinflugzeugen muß ich aber zugunsten des AF-S 4/300mm drauf verzichten, leider.

Mit dem 300er kan man noch gut und bequem Flugfotos aus der Hand machen. Mit dem großen Zoom und seinen 2,3kg + 1kg für die D700 wird das dann schon nicht mehr so bequem sein. Alles andere mache ich fast immer vom Stativ.

 

Das sollte mein Reisetele können: eine Papageitaucher kommt mit ca. 60-70 km/h auf mich zu. Eine normale Geschwindigkeit für diese Art.  Flugfotos von Papageitauchern sind also nicht so einfach wegen der hohen Geschwindigkeit der Vögel. Sie fliegen wegen der hohen Flügelbelastung so ziemlich an der Grenze der Flugfähigkeit: etwa 20m/sec. (knapp 70 km/h) schnell mit 400-500 Flügelschlägen pro Minute. Im Vorbeiflug mag das noch gehen, bei 1/1.250 sec. bekommt man scharfe Bilder, so sich der AF überhaupt einlockt. Im direkten Anflug braucht man schon > 1/2.000 sec. dafür. Technik: D700 mit AF-S 4/300, freihand. © Achim Kostrzewa

"Einfacher" sind da schon Vorbeiflüge, bei schnellen Vögeln, wie diesem Eissturmvogel in Spitzbergen, braucht man immer noch gut 1/1.000 sec. für eine scharfe Aufnahme und einen Verfolger-AF der das kann.  Technik: D700 mit AF-S 4/300, freihand. © Achim Kostrzewa

Am besten gehen langsame, kontrastreiche Motive, wie dieser Buller Albatros. Technik: D700 mit AF-S 4/300, freihand. © Achim Kostrzewa

Wenns am Kontrast hapert, ist es auch für den AF schwer, sich sicher einzulocken, wie bei diesem Wanderalbatros über der Drake Passage.  Technik: D300 mit AF-S 4/300, freihand. © Achim Kostrzewa

Fazit: Meine Entscheidung fiel mir zwar schwer - ich versuche jetzt seit zwei Jahren verzweifelt mir mal was Neues bei Nikon zu kaufen - aber das Zoom bietet nicht genug Vorteile, weil es mein Arbeitspferd, das AF-S 4/300 nicht komplett ersetzen kann. So bleibt mein Fotosparschwein weiterhin fett gefüllt...

© Achim Kostrzewa (12/2015)