Das Herzstück der Bildkomposition - der Sucher meiner Kamera - oder warum ich mir keine D600 kaufen werde ;-(

Warum habe ich meiner Mamiya 645 so viele gut Landschaftsaufnahmen zu verdanken, wegen ihrem großartigen Lichtschacht! Wer so etwas nie benutzt hat, kann das gar nicht beurteilen, aber eine Mattscheibe in der Größe 45 x 60mm mit einer sechsfachen Lupe zu betrachten, ergibt immerhin ein "riesiges" Bild von virtuellen 270mm x 360mm. Man blickt also auf deutlich mehr als ein DIN A4 Blatt und sieht natürlich jedes Detail, auch jedes störende, wie die weggeschmissenen Koladosen, die man dann vor dem Auslösen einfach einsammeln kann.

Man gewinnt also eine perfekte Motivkontrolle durch einen großen Sucher!

Der nächst beste Sucher, war der meiner digitalen Sony R-1 einer ungewöhnlichen Bridgecam, in deren Sucher man auch von oben schauen konnte. Wenn sie ein besseres RAW und weniger Rauschen gehabt hätte, wäre das auch heute noch meine Reise- und Allround Kamera.

Frühere analoge Kleinbild-Kameragenerationen hatten teilweise schauderhaft dunkle Sucher. Deutlich besser wurde es erst mit der Nikon F4, die wirklich einen tollen hellen 100% Sucher hatte. Doch die Wünsche wachsen ja auch mit der Erfahrung und den fotografischen Aufgaben, die man sich oder denen man sich stellt . So schrieb ich im August 1994 in der Fotografie draußen einen kritischen Artikel zum damalig heißen Thema Autofocus "Alles AF ? Schöner-schärfer-besser-teurer!" der mit folgendem Wunsch an die Industrie endete:

Vieles von meinen damaligen Wünschen ist seit Erscheinen der D300 und D700 in Erfüllung gegangen. Die Sucher sind hell und klar, die AF Felder decken wirklich den gestalterisch wichtigsten Bereich im Sucher ab und ein Blick in den Sucher der D700 läßt wirklich kaum noch Wünsche gegenüber einer früheren F801s oder F4 offen. Hier ein Blick in den Sucher der D300 mit ihren max. 51 Messfeldern:

D300 mit AF-D 2,8/14mm und automatischer Messfeldauswahl: hier sind nicht alle 51 Messfelder aktiviert, aber so viele, dass man sieht wie weit die Messfelder im Sucher reichen. Bild wurde am 2.6.2008 in Mittelnorwegen aufgenommen. Das gute an dieser Verteilung der Messfelder ist, dass sie an der äußeren Ecken bis in der gestalterisch wichtigen "Goldenen Schnitt" reichen. Man kann also vom Stativ aus den perfekten Ausschnitt suchen und dann ohne die Kamera zu bewegen auch noch auf das Hauptmotiv scharf stellen, besser geht es nicht mehr. :-D

Das gleiche gilt für die D700, ich benutze meist nicht die automatische Messfeldauswahl, sondern lege das Messfeld eben selber mit dem Tracker fest. So gelingen dann auch außergewöhnlich schwierige Tieraufnahmen, wie hier zu sehen auch im Hochformat, weil ich das Messfeld dem Tier nachführe und immer aufs Auge scharf stellen kann:

Hier liegt der Fokuspunkt am Schnabelgrund, direkt oberhalb der Fischchen. Das Bild ist oben etwas beschnitten. Einigermaßen perfekt gestaltet, wie man es eben "auf die Schnelle" in der Tierfotografie machen kann. Man hat ja kaum Zeit. Der Papageitaucher nahm diese Pose nur für Sekunden ein, bevor er eilig in seinem Bau verschwand, damit ihm nicht doch noch im letzten Moment eine Möwe seinen Fang entreißt. Die früher gebräuchliche Methode mit halb gedrücktem Auslöser die Schärfe festzulegen und dann erst den Ausschnitt einzustellen, würde hier nicht funktionieren. Man hätte den Moment verpasst, oder unscharf, also kein Ergebnis!

So, nun haben wir eine Reihe von professionell anmutenden Kameras, die ihren AF Ausschnitt gut vorbestimmen lassen, wunderbar. Und nun baut Nikon mit der D600 eine "abgespeckte" D3x zu einem Drittel des Preises und spendiert ihr dazu die 39 AF-Messfelder der D7000 im kleinen DX Format. Was das für einen enormen Rückschritt bedeutet, zeigt folgende Abbildung:

  

Die hier abgedeckte Sucherfläche bei der D600 (links, Ausschnitt aus der (c) Produktinformation von Nikon) ist nur noch etwa halb so groß und reicht längst nicht mehr in den Goldenen Schnitt. Also adé workflow, jetzt heißt es wieder den AF vor dem Bildausschnitt einstellen. ABER die D600 wird ja auch "nur " als Amateurkamera verkauft, obwohl sie mit ihrem 24 MP Sensor der D3x ins Profilager gehören könnte, wenn Nikon bloß gewollt hätte??? Sonst gibt es bei dem neuen Modell wohl nicht viel zu meckern. Aber für die vielen fehlsichtigen "Best Ager" wäre ein großes AF-Messfeld sicherlich von Vorteil gewesen.

Mein Fazit daher: SCHADE, erstmal keine D600, denn vielleicht gibt es ja bald eine verbessertes Modell mit mehr Sensoren auf größerer Fläche, gerne auch ohne Video nur zum Photographieren. Die Pixelgröße von 5,9 Mikron des 24 MP Sensors ist besser als bei der D300 (5,5) und der EXPEED 3 Chip erlaubt sicherlich mehr Dynamik und auch mehr Gesamtschärfe oder Vergrößerbarkeit bei weniger Rauschen. Bei Nikon mußte man ja die letzten 20 Jahre immer etwas länger warten....

Meine Kameras sind in erster Linie Handwerkszeug. Und bevor ich mir einen neuen Hammer kaufe, muß ich wissen, ob ich die Nägel damit schneller und/oder genauer einschlagen kann. Nur weil er neu ist und glänzt, kaufe ich ihn noch lange nicht!

(c) Achim Kostrzewa 21.9.2012