Grundsätzliches: Braucht die Naturfotografie eine „Photophilosophie“ oder reicht die Lightversion einer „Fotofilosofie“ aus? Was ist mit der Ethik, heute am liebsten auch light?

Wenn ich das Medium Foto beruflich oder auch als Hobby betreibe, hänge ich viel mehr der uralten Schreibweise an, denn sie ist wie meine Arbeit, nicht so leicht für jedermann zu erlernen und man sollte sich nicht nur über die sprachlichen Hintergründe beider Schreibweisen Gedanken gemacht haben…

Das mag für den, der lieber "Filosofie" schreibt, vielleicht elitär oder arrogant klingen, aber es hängt natürlich in erster Linie mit dem Alter zusammen in dem man in der Schule war, studiert hat und seine wie auch immer berufliche Laufbahn erlangte. Meine begann halt sehr lange vor der Rechtschreibreform. Es müßte halt nicht immer alles an die große, träge Masse angepaßt werden, nur damit die PISA Werte für Deutschland wieder steigen können.

Die Frage ist vielmehr: Braucht Naturfotografie überhaupt eine Philosophie? Jedenfalls keine, die in den Marketingabteilungen von irgendwelchen Zeitschriften, Herstellern von hilfreichen Geräten oder Kursanbietern und Reiseveranstaltern geschmiedet worden ist. Da ja nicht Jedermann Naturfotograf sein kann oder will, wird man hier sehr schnell in die Elite erhoben, wenn man sich nur die teure Kameraausrüstung und Kenia-Reise leisten kann oder will. Nikon oder Canon verkaufen heute in Europa die meisten Superteles (also 2,8/300 – 2,8/400 – 4/500 – 4/600 – 5,6/800mm; Superzooms 4/200-400mm bei beiden Herstellern) an Amateure zu Preisen von 5.000 -12.000 €. Das will dann wieder irgendwie „eingespielt“ werden.

Und wenn schon Philosophie, dann vielleicht ein bisschen Immanuel Kant: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“  Der berühmte kategorische Imperativ!

Oder vereinfacht im Volksmund: „Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg’ auch keinem Anderen zu!“

Damit kommen wir nicht nur im wahren Leben, sondern auch in der Natur und deren Photographie prima weiter: nicht stören, nichts verändern, nichts wegnehmen und schon gar nichts manipulieren. Wenn ich aber nun viel Geld in eine Superausrüstung investiert habe, brauche ich natürlich auch Ergebnisse. Das führt dann zu Wettbewerbsteilnahmen, Einreichungen bei Bildagenturen, Zeitschriften und viel Frust, weil niemand die Bilder sehen mag. Weil sie vielleicht nicht wirklich etwas taugen oder schon tausendfach fotografiert wurden. Man schaut was andere vorweisen können und denkt sich, das kann ich auch! Und dann geht das Manipulieren los…

Hier ein schlagendes Beispiel dafür! Im GDT Meinungsforum schrieb ich zum Thema „Praktikable Bildbeschriftung“ am 10.02.2007 als Gast:

(Die ganze Diskussion zum Thema findet sich hier: http://www.gdtfoto.de/content.php?siteloc=forum&id=137)

 

Es geht vor allem Anderen um Ehrlichkeit -

Egal ob WILD, CAPITVE oder COMPUTER. Schauen wir uns mal die Adeliepinguine bei Steve Bloom an: Die springen von einem Tafeleisberg. Das Bild dazu finden Sie hier: http://www.amazon.de/Pinguine-Eisberg-springen-Steve-Bloom/dp/B000OUOZSE

Der Eisberg ist in Natur mindestens 30 Meter hoch. Totaler Quatsch, biologisch gesehen. Habe Adelies noch nie mehr als 3 Meter tief springen sehen. Meistens springen sie von flachen Schollen.
Aber: Das Poster verkauft sich gut . Das Bild ist total unehrlich. Zusammengesetzt aus Tafeleisberg, Adeliegruppe und zwei springenden Tieren. Denke, da waren vier Bilder beteiligt. das könnte ich aus meinem Bildmaterial leicht herstellen, wenn ich denn Photoshop beherrschte.

Das muß das eigentliche Thema sein - Naturfotografen - egal ob inner- oder außerhalb der GDT , wollen doch Natur fotografieren, nicht nur als Natururkunde, sondern auch ruhig mit künstlerischem Anspruch - was Bildaufbau und Licht betrifft, vgl. die Diskussion zum "Siegerbild" hier in diesem Forum.

Fotocomposing ist aber keine Naturfotografie: es wird ein Bild erzeugt, was der Phantasie des Kreativen entspringt, gar nichts dagegen einzuwenden, solange man es nicht als Abbild der Wirklichkeit verkauft. Die Bild- und Textmedien fliegen leider auf solchen Mist, man faselt von nie gesehenen Bildern.
Ich fände es daher sehr gut, wenn die GDT dieses Thema diskutiert und auch Empfehlungen dazu beschlösse und das auch an die Medien kommunizierte.
    Mit besten Grüßen
    Achim Kostrzewa

Weitere weniger spektakuläre Beispiele finden sich in der NaturFoto 11/2009,  im Artikel „Bildmanipulationen bei Naturfoto-Wettbewerben – Natur pur oder Pixelschieberei.“

Fazit: der Naturfotograf braucht Ehrfurcht vor der Natur und muß sich selbst als Teil derselben begreifen. Wenn er die Natur nicht liebt, sondern nur verbraucht, sollte er sie auch nicht für seine Zwecke missbrauchen, nicht einmal als „Fotograf.“  Man braucht also wie immer eine gewisse ethische Grundhaltung, die in unserer hedonistischen Gesellschaft zunehmend unattraktiver wird.

Die Naturfotografie muß aber ehrlich bleiben nicht manipulativ, sonst verliert sie ihren dokumentarischen Ansatz und damit ihren Sinn. Altmeister Fritz Pölking schätze einmal in seinem Fotoblog, das sicherlich 80% der Nah- und Makroaufnahmen von Amphibien manipuliert sind. Damit steht er keinesfalls alleine: “Photographs are never more believable than the people offering them. We've been doctoring photos since the 1800s.” schreibt Ken Rockwell im Dez. 2010 in seiner viel gelesenen Foto-Kolumne (www.kenrockwell.com). Da bleibt ein schaler Geschmack, der seit dem Siegeszug der Digitalfotografie und Programmen wie Photoshop® immer penetranter wird.

Meine Haltung dazu ist glasklar: es gibt in meinem Bestand nur unmanipulierte Fotos d.h. NATUR PUR.

Hier ein Beispiel dazu: dieser junge, kurz vor dem Ausfliegen befindliche Papageitaucher übt unter den wachsamen Augen des Elternvogels seine Schwingen. Sekunden später verschwand er wieder in seiner Höhle. Der Vogelwart hatte damals gesagt, dass habe er in mehr als 10 Jahren nicht gesehen und glaubte mir meine Beobachtung nicht. Nun erzählen Touristen sicher viel Unsinn..., aber ehrenamtlich Vogelwarte sicher auch... Und damals konnte man noch nicht die Digicam zücken und die Bilder auf dem Display vorzeigen!

Hier also der Beleg, zwischenzeitlich vielfach in der Literatur veröffentlicht:

Motorisierte Nikon FM oder FE mit AIS 5,6/400mm IF-ED auf Fujichrome 100. Shetland Inseln, Noss, frühe 1990er Jahre © A Kostrzewa

(© AKo 19.1.12, Nachtrag 24.6.12)

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