Baffin Island - erster Versuch im August 2022 (mit der L'Austral vom 3.-7.8.)
Unsere Intention war die Baffin Insel zu erkunden, die auf der Westseite von Grönland liegt und sich damit für einen Besuch anbietet. Zwei Reisen wurden 2021+22 angeboten: einmal mit der L'Austral die Westküste Grönland hoch von Kangerlussuaq aus, dann nach Baffin rüber, um dort vier Ziele zu besuchen und wieder zurück nach Westgrönland. Reisezeitpunkt Ende Juli-Anfang August. Wir haben an sich nicht mit solchen schwierigen Treibeisbedingungen gerechnet, die Reederei offensichtlich auch nicht. Aber Wetter ist Wetter und mit der Natur kann man nicht diskutieren ! Versuch Nummer zwei wird jetzt Mitte-Ende September mit der Ultramarine stattfinden. Dann haben wir unsere "Corona" Buchungen "abgearbeitet." Eine weitere Reise in die kanadische Inselwelt sollte 2023 folgen (s.u.).
Edit (10.10.22): Zweiter Versuch - Wir dürfen mit der Ultramarine auch im September nicht in Südbaffin einreisen, sondern müssen wieder nach Norden, nach Pond Inlet ! Das ist fatal, weil wir so die gesamte nunmehr eisfreie Küste nicht entlangfahren dürfen, sondern außerhalb der Grenzen Kanadas weit auf dem Meer draußen nach Norden fahren müssen. Ziele wie die Grönlandwal Bucht Isabella Bay werden dadurch für uns nicht zugänglich - und das war für Renate ein sehr wichtiger Teil der Reise ! So bleibt uns nur der Norden am Lancaster Sound, den wir umfangreich erkunden. Auch die Ostküste des Insel Ellesmere ist noch vom Treibeis verlegt.
Die "Axel-Heiberg-Insel" dürfte in 2023 auch nicht erreichbar sein, da die engen Kanäle zwischen den Inseln wie Ellesmere und Axel Heiberg mit nördlichem Treibeis blockiert sind. Die Hubschrauberfotos des Geologieprofessors Michael Hambrey zeigen die Eissituation für Juli 22. Er mußte für seine Gletscher Forschung auf der Insel alles per Hubschrauber einfliegen, da man mit dem Schiff nicht mehr dorthin vordringen konnte... Es hat also auch gar keinen Zweck auf das nächste Jahr zu hoffen, daß die Ultramarine dorthin vordringen könnte. Es wäre wohl nur mit einem großen Eisbrecher möglich, daher sehen wir von diesem Reiseziel erstmal ab.
Die Baffin Insel liegt quer vor der Einfahrt zur Hudson Bay. Wir müssen uns unseren Weg durch das Treibeis an Bord der L'Austral bahnen. Foto: © Achim Kostrzewa (8/2022)
Eisfahrt durch die Mitternachtssonne. Für ganze zwei Stunden geht sie jetzt doch schon unter. Daher wird man vor allem des Nachts von einem tollen Farbenspiel am Schlafen gehindert. Das große Fenster und der kleine Balkon gewähren auf der Land zugewandten Seite an Steuerbord gute Aussichten. Foto: © Achim Kostrzewa (8/2022)
Baffin Island gehört zu Kanadas Nunavut, dem Inuit Territorium, das am 1.April 1999 etabliert wurde. Die Einreise erfolgte für uns am Hafen von Pond Inlet, im Nordosten der Insel. Doch vor der Einreise sind noch ein Haufen Formalitäten abzuarbeiten: Die Passagiere müssen sich bis 72 Stunden vor Einreise mit ihren Corona-Unterlagen und Impfnachweisen über das Internetportal (https://canada.ca/ArriveCAN) anmelden. Ponant in Hamburg, die dt. Vertretung des frz. Veranstalters, hatte nicht nur uns nicht informiert, auch Schweizer, Neuseeländer, US-Bürger, im Prinzip alle nicht in Frankreich Lebenden, standen ohne Anmeldung da, was auf dem Schiff erstmal Hektik auslöste. Die Internetverbindung war wackelig und langsam, als wir ins Theater gerufen wurden, um die Anmeldung nach Vorlagen selbst durchzuführen. Mit den Smartphones klappte das schneller als mit Laptops. Warum, weiß der Teufel. Meine PDF Kopien der EU Impfnachweise luden jeweils in 10 Minuten hoch, obwohl nur je 950 KB groß. Es zog sich bis in die Rettungsübung hinein, klappte aber dann doch. Ergebnis war eine Mail mit einem Code für uns beide, den der Sicherheitsoffizier schleunigst in seine Liste eintrug. Die Rettungsübung absolvierte derweil Renate für mich mit. Eine völlig unnötige Hektik. Einreisen würden wir von Grönland aus, dort war unsere letzte Station die gestrandeten Eisberge von Savissivik in der Melville Bay. Von dort wollten wir in etwa 7 Stunden die Baffin Straße kreuzen. Doch mitten auf dem Meer stoppte das Schiff ? Wir wurden alle ins Theater gerufen und erfuhren von Kapitän Colaris, das er seit 4 Uhr morgens am Telefon hinge und mit den Leuten in Pond Inlet mit Unterstützung von seiner Reederei in Marseille verhandle. Obwohl das Schiff angemeldet war, wollten uns die örtlichen Behörden, also der Zoll, nicht einreisen lassen, weil auf irgendeinem Zettel angeblich ein Häkchen fehlte... So lagen wir also die schönste Zeit des Tages fest. Nach sieben Stunden kam dann das mündliche Okay; bis das Fax da war, vergingen nochmals 2 Stunden. Dem Kapitän, dem die Zeit fehlte, noch länger zu warten, fuhr schon nach dem mündlichen Okay wieder los.
Die Einfahrt zum Navy Board Inlet: (oben) Blick zurück in den Seenebel mit Eisberg. (Unten): Blick in den Kanal zwischen Baffin (rechts) und der kargen Insel von Bylot. Die ersten Streiflichter der spätabendlichen Sonne deuten sich schon an. Fotos: © Achim Kostrzewa (8/2022)
Im Navy Board Inlet: Blick auf Baffin nach Mitternacht. Wecker stellen für Fotos bei Nacht war ziemlich häufig angesagt. Foto: © Achim Kostrzewa (8/2022)
Wir erreichten abends spät die Einfahrt zum Navy Board Inlet von Norden und fahren zwischen den beiden Teilen des Nationalparks, im Osten Bylot Island und im Westen Baffin selbst in Richtung Pond Inlet. Diese Siedlung erreichten wir schließlich mit einem Tag Verspätung. Dort hält uns die Einreisebehörde nochmals 2 Stunden mit der Passkontrolle auf, bevor wir kurz vor Mittag endlich anlanden dürfen, nicht am Pier, sondern nass mit den Zodiacs am Strand und Gummistiefeln, egal... Es sieht mir ein wenig nach Schikane aus.
Unsere leider nur kurze Route entlang des Ostküste von Baffin im August mit der frz. L'Austral. (1) = Pond Inlet, (2) = Icy Arm Fjord Fotos: © Achim Kostrzewa (8/2022)
Morgens, noch vor der Anlandung, schon wieder ein Treffen mit dem Kapitän im Theater: Die Eissituation habe sich in den letzten fünf Tagen nicht verbessert, es sei ziemlich unwahrscheinlich, das wir die Isabella Bay oder den Sam Ford Fjord erreichen könnten. Dort vor der Küste liegt 9/10 Treibeis mit einer Dicke von 1-1,2 Metern, was für uns nicht zu befahren sei. Klar, die Eisklasse 1c der L'Austral erlaubt nur 30-40 cm dickes Eis, daher verbietet die Küstenwache die Fahrt dorthin, weil sie befürchten, uns dann ihren einzigen einsatzbereiten Eisbrecher schicken zu müssen, verständlich. Ob der Icy Arm Fjord (2) zu erreichen sei, müsse man am nächsten Tag probieren. Da sind 50% Treibeisbedeckung angesagt. So steht, trotz sonnigem Wetter, die Sache unter keinem guten Stern.
Foto: © Renate Kostrzewa (8/2022)
Pond Inlet präsentiert sich als ziemlich triste arktische Siedlung. Wir dürfen nicht ans Pier, sondern müssen am Strand anlanden. Fotos: © Achim Kostrzewa (8/2022)
Pond Inlet (1) - Wir landen am späten Vormittag an und gehen/fahren mit dem kleinen Schulbus zur Gemeindehalle, um die Show anzusehen: Sportliches Treten und Schlagen nach einem Robbenziel, Trommeltanz, "Throat singing", weitere Gesangsdarbietungen, etwas Historie. Wir verbringen eine kurzweilige Stunde hier. Fahren dann wieder zum Schiff, essen. Nachmittags geht es nochmals an Land. Wir teilen uns auf: Renate wandert zu einem archäologischen Siedlungsplatz aus der Thule Kultur. Ein Gewaltmarsch, der größtenteils über die Straße geht - warum fährt da der große Schulbus nicht, den wir doch gechartert haben? Und zurück gehts über den Strand. Renate hat Probleme mit dem Ischias Nerv und wird zusammen mit einigen anderen Fußkranken von einem Zodiac abgeholt, um die letzten 2 km zu sparen. Ich gehe zum Museum, was man in 20 Minuten "abarbeiten kann." Mit den üblichen Exponaten. Ein plastinierter Narwal hängt an der Decke, es gibt einige typische Kleidungsstücke, Jagdutensilien, Naturschutzposter, einen kleinen Laden mit Touristentineff. Ich nutze das schöne Wetter und setze mit in das kleine benachbarte Amphitheater und genieße die Ruhe und den Blick aufs Meer.
Im Gemeindezentrum bekommen wir die typische Show mit Trommeltanz und weiteren Darbietungen. Fotos: © Achim Kostrzewa (8/2022)
Das Museum wirkt vom Eingang her völlig unscheinbar, ist aber raffiniert über den Hang gebaut. Daher innen größer, als es von außen aussieht. An der Decke hängt ein Plastikmodell eines Narwals, als Exponat gibt es z.B. eine Radierung eines auftauchenden Belugawals vor der Mitternachtssonne. Fotos: © Achim Kostrzewa (8/2022)
Pond Inlet war quasi "Pflicht" wegen des Einklarierens. Abends geht es dann wieder los in Richtung Icy Arm Fjord. In Erwartung einer ruhigen Nacht gehen wir schlafen.
Um 4:31 Uhr steh ich im kurzem Schlafanzug auf den Balkon, Eisbärenalarm, wir haben gerade die Treibeisgrenze wieder passiert: also rein in die bereitliegenden Klamotten, die Kameras gepackt, das Stativ und nix wie auf die Brücke. Von hier hat man den besten Blick nach vorn. Foto: © Achim Kostrzewa (8/2022)
Um 4:30 eine Ansage, die uns aus dem Schlaf reißt: Auf dem Eis vor uns mindestens 5 Eisbären ! Der Kapitän steuert mutig ins von Schwarzeis zusammengehaltene Treibeis in Richtung der Bären. Wir verbringen eine gute Stunde dort, bevor wir wieder im weiten Bogen heraus aus dem Eis steuern. Insgesamt machen wir 9 Bären aus: eine Mutter mit Kind, eine weitere mit zweien und ein paar Einzelgänger. Auf den zusammen gefrorenen Schollen liegen auch mindestens 5 Robben, eine davon eine große Bartrobbe und ein Walross. Deshalb also stromern die Bären dort herum. Es gibt eine ganz einfacher Regel für Bärenbeobachtungen: keine Robben, keine Eisbären. Jetzt haben wir in dieser einen Stunde genauso viele Bären gesehen wie auf der gesamten Spitzbergentour im Juni ! Durchgefroren, aber glücklich fallen wir wieder ins Bett und gehen dann um 8:00 frühstücken.
Die Brückennock. Von hier hat man den besten Blick nach vorn in Richtung Eisbären. Mein großes Zoom mit 1,4-fach Konverter steht windgeschützt neben der Brücke auf dem Stativ. Nach getaner Arbeit erstmal einen Kaffee in der Bar auf Deck 3. Foto: © Achim Kostrzewa (8/2022)
Viermal Eisbären: ein Pärchen, Mutter mit Jungem, schwimmend. Auf dem oberen Bild sieht man oben am Bildrand noch einen schwarzen Punkt: ein Robbe ! Fotos: © Achim Kostrzewa (8/2022)
Icy Arm Fjord (2) - spektakuläre, über 1.000 m hohe Felswände aus Granit, Gletscher, die alle zurückgegangen sind und spärlich in ihren nun zu weiten Moränen liegen, prägen das Bild des Fjords. Bei Sonne und Windstille verbringen wir eine ruhige Fahrt durch eine dramatisch anmutende Landschaft.
Schon die spektakuläre Einfahrt zum Fjord ist glücklicherweise eisfrei. Foto: © Achim Kostrzewa (8/2022)
Der nördliche Arm des Icy Arms Fjord wird zu seinem Ende immer dramatischer. Über 1.000 Meter hohe Felszinnen luden früher zum Fallschirmspringen ein, heute ist das verboten. Fotos: © Achim Kostrzewa (8/2022)
Icy Arms Fjord Foto: © Renate Kostrzewa (8/2022)
Die zurückweichenden Gletscher liegen in einem Bett aus Moränenschutt, das wie ein viel zu groß geratener Mantel wirkt. Foto: © Achim Kostrzewa (8/2022)
Der nur dünne Pflanzenteppich besteht hauptsächlich aus arktischer Weide und etwas Vierkant Heide. Die am Boden liegenden "Weidenbäume" haben hier "Stammdurchmesser" von bis zu 20 Millimetern und ein Alter von weit über 100 Jahren. Die meisten Blüten sind jetzt schon verblüht, der Herbst steht vor der Tür. Fotos: © Achim Kostrzewa (8/2022)
Wir landen in einer ruhigen Seitenbucht an, die aus einem Schwemmfächer und einer Endmoränenlandschaft besteht. Hier hat sich schon einiges an Pflanzendecke gebildet, mit den üblichen Verdächtigen: Weiden und Alpenbärentraube, Narduus Gräser, Moose und Flechten. Wir fahren noch bis zum Fjordende bei strahlendem Sonnenschein und machen dort noch eine extra Anlandung wieder auf einem Schwemmfächer, wo man zu Wasserfällen wandern kann. Wir bleiben auf Deck 6 am Pool und trinken derweil Capuccino und schauen dem Treiben der Sportfanatiker, die durch die Landschaft rennen, ohne sie wirklich zu sehen, zu. Die Wasserfälle sehen wir durchs Fernglas nämlich besser als vom Boden. Nachdem die Sonne hinter den Bergen verschwunden ist, kommen alle wieder an Bord zurück. Wir fahren die 16 Meilen wieder bis zur Mündung des Fjords. Und mogeln uns nochmals durch die Treibeisbarriere. Der Kapitän ist immer noch auf der Brücke. Ich frage mich, wann der mal schläft ?
Auf der Rückreise nach Grönland müssen wir nochmals den Treibeisgürtel passieren: zum Eis gesellt sich auch noch Nebel. Kapitän und Offiziere suchen ständig nach einer Durchfahrt. Fotos: © Achim Kostrzewa (8/2022)
In der Davis Straße - Nachts queren wir ein gutes Stück eisfreies Meer, dann ab morgens wieder Treibeis. Wir werden jetzt entlang des Treibeises weiter nach Nordosten fahren müssen, dann wieder nach Südosten, um nachmittags/abends in SE nach Grönland zurückzukehren. Die Fahrt durchs Treibeis (30-50%) dauert Stunden, man kann nur langsam fahren und das meist in Schlangenlinien zwischen den großen Schollen hindurch, die kleinen werden überfahren. Es ist fast windstill und wir haben etwas Nebel. Alle Offiziere sind auf der Brücke, die aber erfreulicherweise offen bleibt. Um 18:00 haben wir das Treibeis endlich durchquert, mussten aber weit nach Norden ausweichen, so dass wir erst Morgen am 7.8. gegen 14:00 an der Südseite der Disko Insel sein werden...
Und hier geht es zum Reisebericht Westgrönland mir der L'Austral im Sommer 2022.
Text & Fotos: © Achim Kostrzewa (fertig 28.8.2022)