Zu Königspinguinen und Albatrossen ins Tierparadies von

 

South Georgia, am Rande der Antarktis (1995-2007)

 

Von Renate & Achim Kostrzewa

Wenn wir unseren Freunden erzählen, wir fahren wieder einmal ins Tierparadies Südgeorgien, bekommen wir oft zu hören: „ Georgien, in Russland, und da gibt es Pinguine?“ Nein, unser Ziel ist Südgeorgien, eine 170 km lange und bis 40 km breite Insel im Südatlantik, 2.050 km östlich vom berüchtigten Kap Hoorn gelegen, das britische Tor zur Antarktis. Diese Insel ist ein Tierparadies der ganz besonderen Art: Hier explodiert das Leben wie nur an wenigen Stellen auf unserem blauen Planeten. Es ist das Reich der Albatrosse, Herrscher der Insel sind die ca. 4 Millionen Goldschopf- und Königspinguine, die jedes Fotografenherz höher schlagen lassen. Millionen von Pelzrobben und über 300.000 der riesigen See-Elefanten ruhen an den Stränden.

Foto: Königspinguine im Gold Harbour

Südgeorgien ist  nicht leicht zu erreichen. Es gibt keine Fähre, keinen Flughafen und keine Bevölkerung. Nur wenige Kreuzfahrt-Schiffe, die diese Insel für zwei Tage in einen Rundtrip einplanen, kommen überhaupt hierhin. Denn von der Antarktischen Halbinsel muß man fast zwei Seetage durch das stürmische Südpolarmeer und dann sind es zurück auch wieder zwei Tage zu den Falkland Inseln oder gut drei Seetage bis nach Feuerland. Expeditions-Kreuzfahrten mit Schwerpunkt Südgeorgien sind bislang nur selten im Angebot der stetig steigenden Zahl der Anbieter. Wir gehören zu den Glücklichen, die dieses Inselreich bereits mehrmals mit unterschiedlichen Schiffen (seit 1995, World Discoverer, Bremen, zuletzt 2007 mit der Nordnorge) besucht haben.

Wir sind schon wieder gespannt auf unsere nächste Spezial-Tour im November 2008: mit vollen fünf Tagen nur auf Südgeorgien mit der eisverstärkten MV Ushuaia (Reise-Logbuch folgt).

Foto: Verwirrende Masse - Kolonie in der Fortuna Bay - und die Tiere finden dennoch ihre Partner

Südgeorgien ist und bleibt ein Geheimtip. Die Landschaft ist rau und zerklüftet; die Küste durch viele Buchten und Fjorde zerlappt. Majestätisch erheben sich bis zu 2.700 m scharfkantig aufragende, schneebedeckte Berge. Mehr als 100 Gletscher kalben ins Meer. Eine herbe, wilde Inselschönheit, die einen in ihren Bann zieht. Die bis 2 m hohen Tussockgras-Bulten auf den 40% eisfreien Flächen verleihen der Landschaft im Vergleich zum antarktischen Kontinent einen fast lieblich-grünen Reiz.

Foto: Zurück zum Partner - Königspinguine landen im Gold Harbour an

Eine Südgeorgienexkursion ist eine richtige Expeditionsreise.  Flexibilität beim Expeditionsteam und den Gästen ist daher unentbehrlich. Die Expeditionsleitung arbeitet jeweils ein Programm für den nächsten Tag aus. Denn der Reiseverlauf muß immer wieder den örtlichen Eis- und Wetterverhältnissen angepaßt werden. Es gibt besonders an der Nord- und Ostküste zahlreiche Anlandemöglichkeiten unter denen man wählen und ausweichen kann, je nach Wind und Wetter. Allen Anlandepunkten ist eines gemeinsam: sie haben weder Pier noch Steg – an Land gelangt man nur mithilfe der sicheren Expeditionsschlauchboote, der Zodiacs, die in ihrer Grundkonzeption vom berühmten Meeresforscher Jean-Jaques Cousteau stammen. Unsere „nassen“ Anlandungen bedeuten, man geht die letzten Meter zum Strand durch flaches Wasser. Und dafür braucht man normale, grobstollige Gummistiefel. Außerdem ist warm Ankleiden angesagt. Selbst bei ruhiger See weht über dem Wasser oft ein kalter Wind.

    

Foto: Grytviken (links), Hau ruck, mit der nächsten Welle legen wir wieder ab, nasse Anlandung mit dem Zodiac (links)

In einigen Buchten wie der Bay of Isles oder der St.Andrews Bay begrüßen uns große Königspinguin-Kolonien von bis zu 30.000 Vögeln mit ihren kuschelig braunen Küken. Nichts ist überwältigender! Ein Naturerlebnis pur. Schon auf der Zodiacfahrt weht uns der „aromatische“ Pinguin-Duft entgegen. Auf dem durch Schmelzwässer recht schlammigen, feuchten Terrain stehen dicht gedrängt die Könige. Sie bauen kein Nest, sondern legen ihr einziges Ei auf ihre Füße und stülpen die Bauchfalte darüber. So wird das Ei gewärmt und bebrütet. Nach 54 Tagen schlüpft das hilflose, unbeholfene Küken. Wenn es nicht schläft, ist es hungrig. Lauthals macht es auf sich aufmerksam und fordert Futter, wobei es an den Schnabel des Elternteils pickt. Das ist der Auslöser, um die vorverdaute Nahrung von Fisch und Krill aus dem Magen zu würgen. Mit

    

Fotos: Egal wie groß - immer hungrig, die Küken

neun Monaten schließlich wirken die nimmersatten Jungen mit ihren dicken nach vorne gewölbten Bäuchen wie kleine Fetttönnchen. Sie zeigen keine Furcht, ganz im Gegenteil: Oft nähern sie sich neugierig, wedeln mit ihren Flügelchen und zwitschern ganz aufgeregt. Wenn man still auf dem Boden sitzt, unterschreiten sie den Mindestabstand von 5 Metern, den Menschen in der Antarktis einhalten müssen. Die Küken kommen zu einem und untersuchen mit ihren Schnäbel alles. Pinguine dürfen das, denn sie sind schließlich hier die Hausherren. Es gibt unendlich viel zu beobachten. Die Zeit an Land vergeht wie im Fluge.  Mit unzähligen neuen Eindrücken kehren wir aufs Schiff zurück, wo jeder sich sogleich auf seine Ausbeute an Digitalfotos stürzt.

Ein absolutes Highlight ist derzeit Prion Island in der Bay of Isles, auf der nur die kleinen Kreuzfahrtschiffe eine Landeerlaubnis bekommen. Wir können es kaum erwarten, mit den erlaubten 30 Personen-Gruppen anzulanden. Wir machen dies in zwei oder drei Partien, bis alle Gäste an Land waren. Die sehr aggressiven Pelzrobben haben den schmalen Strand besetzt  und verteidigen ihr Territorium mit ihrem Harem nicht nur gegenüber Artgenossen, sondern auch gegen uns. Ihre Zähne sind lang und sehr spitz! Vom Ufer steigen wir dann durch ein trockenes Bachbett auf. Der Weg führt durch hohe Tussockbulten, hinten denen sich jederzeit Pelzrobben verbergen können, glücklicherweise meist die weniger rabiaten Weibchen. Aber ein bißchen Abenteuer muß sein.  Auf der Hochfläche erwarten uns die spektakulären Wanderalbatrosse, die in einer lockeren Kolonie brüten (Foto).  Hier nisten diese mit 3,6 Metern Flügelspannweite größten Vögel der Erde. Vorsichtig bewegen wir uns und halten den erforderlichen Abstand von 15 m  zu den Nestern unbedingt ein, denn wir sind uns bewußt, dass allein auf Südgeorgien 75% des Weltbestandes brüten. Ein Vogel bessert gerade sein Nest aus, ein anderer vollbringt eine Bauchlandung und schüttelt sich beim Aufstehen. So elegant sie in der Luft fliegen, so schlecht können sie mit ihren langen, schmalen Schwingen und den weit hinten gelagerten Beinen landen. Im März sitzen die dicken 13-monatigen Jungen auf dem Nest, das für sie zu klein geworden scheint. Kurz vor dem Ausfliegen wiegen sie mehr als die Eltern. Sie klappern mit ihren Schnäbeln oder strecken die Flügel, um ihre Flugmuskulatur zu trainieren. Jetzt dauert es nicht mehr lange, bis sie sich in die Lüfte schwingen und für mehrere Jahre über die südlichen Weltmeere segeln.

Foto: Pinguine sind neugierig, ruhig sitzende Touristen werden erst beäugt, dann untersucht (Bay of Isles, Salisbury Plain)

Südgeorgien war einst auch das Zentrum des Walfangs im Südpolarmeer. Die sechs Stationen sind heute mehr oder weniger dem Verfall preisgegeben. Meist besuchen wir die größte, norwegische Walfangstation Grytviken in der King Edward Bay, die von 1905-66 betrieben wurde. Die meisten Häuser sind wegen Verseuchung mit Asbest u.ä. abgerissen und abtransportiert worden. Man sieht aber noch überall schwere, verrostete Maschinen, Trankocher und Tanks. Nur die Kirche ist als einziges Gebäude aus der damaligen Zeit erhalten geblieben.  Heute wird sie an Heiligabend festlich mit Kerzen geschmückt – ein einzigartiges Ambiente für das Weihnachtsfest. Mit der philippinischen Mannschaft und zusammen mit den internationalen Gästen haben wir hier schon Weihnachtslieder gesungen.

Historisch ist Südgeorgien mit dem legendären britischen Polarforscher Sir Ernest Shackleton untrennbar verbunden, der hier überall seine Spuren hinterließ. Ein Muß ist der Besuch auf dem Friedhof mit Shackleton´s schlichtem Grab.  Auf dem Weg zu seiner vierten Antarktisreise erlitt der erst 47-jährige Shackleton in der Bucht von Grytviken an Bord der Quest am 5.1.1922 einen tödlichen  Herzanfall. Seine Frau Emily hatte gebeten, ihren Mann an dem Ort zu beerdigen, den er am meisten liebte. So fand er seine letzte Ruhe zwischen den Gräbern der Walfänger auf der Insel.

   

Fotos: Goldschopfpinguine brüten zahlreich in der Cooper Bay, die Schwarzbrauen-Albatrosse sind eher selten

Ein landschaftliches Juwel ist Gold Harbour, (zusammen mit der Cooper Bay) einer unserer Lieblingsplätze.  Eingerahmt von einer dramatischen, vergletscherten Berglandschaft brüten am Strand Königs- und Eselspinguine. Am steilen Gold Head Kliff haben Graumantel-Russalbatrosse ihre Nester. Ihre Flugkunst - besonders beim Synchronfliegen des Paares - ist unübertroffen. Auf dem schwarzen, vulkanischen Sandstrand  und zwischen Tussockbulten ruhen See-Elefanten und Pelzrobben. Während die schwergewichtigen See-Elefanten meist phlegmatisch herumliegen und höchstens einmal das Maul aufreißen, wenn man ihnen zu Nahe tritt, sind die Pelzrobben viel lebhafter. Besonders die agilen Männchen, die Strandmeister, zeigen eine Schnellig- und Geschmeidigkeit in ihren Bewegungen, die man als unerfahrener Besucher nicht vermuten würde.

   

Fotos: Männer - immer große Klappe, (links) Pelzrobbe mit Harem, (rechts) See-Elefanten drohen ein bisschen

Auf der Schifffahrt entlang der Küste begleiten uns zahlreiche Seevögel wie Seeschwalben, Buntfuß-Sturmschwalben oder Lummensturmvögeln. Pinguine zeigen ihr Delphinspringen. Dabei schießen sie mit hoher Geschwindigkeit kurz aus dem Wasser. Es wirkt, als ob sie einen Moment fliegen. Schnell atmen sie ein und aus, bevor sie wieder eintauchen, 50 m zurücklegen und erneut springen. Im nahrungsreichen Meer um die Insel tummeln sich im Südsommer nahezu alle großen Walarten. Alles rennt mit fliegenden Jacken auf die Außendecks, wenn der Kapitän: „Wale, Wale voraus“ durchs Mikrophon ruft.

Startpunkt (wenn man aus der Antarktis kommt) oder Endziel der meisten Kreuzfahrten entlang Südgeorgiens  ist der schmale, von hohen Bergen eingerahmte Drygalski Fjord, einer der spektakulärsten der Insel. Am Ende der Bucht strömt ein aktiver, breiter Gletscher in den Fjord, der in regelmäßigen Abständen „kalbt“. Die umgebenden Felsen zeigen schöne und oft eindrucksvoll gefaltene Sedimentschichten.

   

Fotos: (links) dösender See-Elefant, (rechts) Königspinguin, einer von 400.000

Nach ein paar Tagen sind wir so voller Eindrücke, haben so viel erlebt und beobachtet, dass wir für die nächsten, hoffentlich ruhigen Seetagen froh sind, die Fülle an Ereignissen Revue passieren lassen zu können. 

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