Vögel im Flug - von 1980 bis heute (2014)

Teil 1: wie es früher - in der Film- und prä AF-ära - war

Der erste Teil dieser Zusammenstellung ist ziemlich "old school." Die meisten Leser werden die beschriebenen Kameras und Objektive kaum mehr kennen. Im Netz findet man nur ziemlich wenig darüber. In den 1960er und 70er Jahren waren viele technische Innovationen unterwegs: die Raumfahrt mit der Mondlandung, der Beginn moderner Spiegelreflextechnik, in der Beat-Musik gab es Beatles und die Rolling Stones, aber auch so abgefahrene Sachen wie King Crimson, The Nice und Deep Purple. Die alte elekro-mechanische Hammond Orgel entwickelte sich vom Gospel- und Jazz Instrument zur Hard Rock Röhre (Jon Lord), ergänzt vom neuen Moog Synthesizer (Keith Emerson), war sie für den "Progressive Rock" stilbildend. Es war schon eine aufregende Zeit als ich mit 13 Jahren Neal Armstrong und Dr.Edwin Aldrin 1969 über den Mond wandern sah...

Früher war BIF (= Birds in flight), wie man heute so respektlos sagt, die "hohe Kunst" der Naturfotografie. Mit manuellen Kameras und manuell zu fokussierenden Objektiven war das sehr schwierig selbst langsam fliegende, größere Vögel (so ab Lachmöwen Größe) einigermaßen scharf abzulichten! Was dabei herauskam, wäre heute qualitativ längst nicht mehr akzeptabel, aber die hier gezeigten Bilder wurden in den 1980er Jahren gerne gedruckt, denn wir befanden uns in den Prä-AF Zeiten und es gab nicht so viele Fotografen, die sich diesem Film fressenden Thema widmeten.

 

Mein immer noch Lieblingsfoto eines fliegenden Basstölpels. Dieser flog etwas unterhalb meiner Augenhöhe langsam gegen den Wind an der Kolonie vorbei. Die Eleganz wird hier sehr deutlich. Ich habe zwar seitdem viele Flugfotos (mit besserer Technik) gemacht, aber keines scheint mir bisher besser die Leichtigkeit seines Fluges zu zeigen. Auch spätere Besuche auf dem Bass Rock (1987, 90, 93 und 97) erbrachten zwar schärfere, aber keine ausdrucksstärkeren Fotos. © A.Kostrzewa

Es wurde in den 1980er Jahren vielfach gedruckt und das Originaldia ist verkratzt und beschädigt. Habe es gescannt und mit Capture NX2 vorsichtig retuschiert und nachgeschärft. Da könnte man noch einiges dran machen, was ich aber nicht möchte, um den Charakter des Dias zu erhalten.

© A.Kostrzewa (2.8.1980, laut Exkursionsbuch) mit Nikon FM + MD-11 (Motordrive 3,5 B/s) + Novoflex-Schnellschuß 5,6/400-3 B, Agfachrome 50 S, d.h. mehr als 1/250sec bei f/5,6 war gar nicht drin bei 50ASA Nennempfindlichkeit! Der Objektivkopf f/5,6 war ein Triplet und wurde als 400-3 oder T-Noflexar bezeichnet. Seine Lichtdurchlässigkeit T lag eher bei 4,8. Das ältere, zweilinsige 5,6/400 erreichte sogar T=4,5, war aber nur mittig richtig scharf.

 

Aufgenommen auf einer Studentenexkursion mit Prof. Engländer im Mai 1979 im "Groote Peel" mit dem damals für mich neuen Novoflex-Schnellschuß Objektiv (aus: Ornithologischen Mitteilungen 42: 87-94; Heft 4/1990), wie man mit einer solchen Kombination umging, mußte man immer wieder üben. Und: nur bei ziemlich ausgeglichenen Lichtverhältnissen habe ich die Zeitautomatik der FE auch benutzt, denn Dias mußten auf 1/3 Blende exakt belichtet werden. Da gab es kaum Spielraum. © A.Kostrzewa

 

Die Bilder von Prof. Georg Rüppell waren mir damals ein großes Vorbild und sein Buch "Vogelflug" ein guter Lehrmeister. Er verwendete Anfang der 1970er Jahre eine Leicaflex SL mot dann eine SL 2 mot mit einem umgebauten Novoflex Pistolengriff und einem Leica Objektivkopf 5,6/560mm. Prof. Rueppell war nicht nur für mich ein inspirierender Lehrmeister sowohl als Zoologe in puncto Flugmorphologie und -physiologie als auch ein ausgezeichneter Fotograf und Dokumentar seiner Wissenschaft.

Alles, was man damals brauchte, war eine Motorkamera mit TTL-Innenmessung* und dieses besondere Objektiv, was seit 1965** (also seit es das "neue", verbesserte Schnellschuß "Typ B" Objektiv und zuverlässige motorischen Filmtransport für Kleinbildkameras, wie den "Nikon F 36 powerpack" mit bis zu 4 B/s gab) bei den Sport und Naturfotografen Furore gemacht hatte. Die Bedienung des Objektives war denkbar einfach: der Handgriff ließ sich etwa 30-40mm zusammendrücken um die Schärfe zu finden. Wollte man näher ran, gab es diesen genialen integrierten Balgen, der zusammen geschoben "unendlich" erlaubte und ausgezogen eine Naheinstellung von etwa 1,9 Metern ergab. Man mußte jetzt nur vorher wissen, ob man eher im Bereich von "unendlich" - ca. 9-10m liegen würde, oder näher fokussieren mußte, und den Balgen dann entsprechend mit einem kurzen Dreh an der Schraube etwas weiter ausfahren konnte. Dieses Objektiv erforderte also viel Übung und Erfahrung vom Fotografen. Dazu gab es noch eine Art Gewehrkolben als Schulterstütze. Ich habe leider von früher kaum Bilder von der Ausrüstung gemacht. Film war ja teuer und ans Schreiben über meine Erfahrungen dachte ich erst 10 Jahre später. Und Kodak Tri-X oder Ilford HP5 SW Standard für 27 DIN/400 ASA Film. Oder mit Push Entwicklung auch bei 30 DIN/ 800 ASA. Dias mit 50 oder 64 ASA gingen nur bei schönem Wetter.

* ein TTL Messprisma gab es erst ab 1965 für die Nikon F, das Prisma mit der Bezeichnung "T", ab 1967/69 gab es dann den Typ "FT und FTn", den ich auch auf meiner schönen, verchromten "Apollo" F mein Eigen nenne, der dem DP-1 Sucherprisma der 1968 erschienenen Nikon F2 schon weitgehend entspricht. Nur leider hat meine F keinen Motordrive. Den könnte man zwar drunterschrauben, aber jede Motor + Kamera Kombination der F Typen mußte vom Service extra aufeinander angepaßt werden.  Und man muß heutzutage erstmal einen brauchbaren F 36 powerpack Motor finden...

Die erste Kamera mit Motordrive und Meßprisma war die 1963 erschienene TOPCON RE Super aus Japan aber mit Exakta Anschluß. 1964 kam dann die berühmt gewordene Asahi Pentax Spotmatic. Beiden Kameras war gemeinsam, daß sie über einen klobigen, stabförmigen Handgriff für die Batterien des Motors verfügten. Erst Nikon baute einen Motordrive, wie wir ihn dann bei allen Profikameras später sehen: der Batteriekasten liegt unter dem eigentlichen Motor. Die Kamera wird wie gewohnt gehalten und bleibt trotz Motor kompakt.

**das Schnellschuß in seiner Urform gab es schon seit 1955, aber man hatte damals grottendunkle Sucher bei f/5,6 (T/4,5 immerhin) und mußte jedes Bild mit der Hand neu transportieren um den Verschluß zu spannen.

 

 

5,6/400 T-Noflexar am Pigriff-B. Dazu gehörte noch eine Metallsonnenblende mit Bajonett und der Pistock-S, ein Schulterstativ, was aus dem ganzen eine Art Fotogewehr machte. Mit einem zusätzlichen Einbein darunter war man sehr flexibel auf der Pirsch. Die Stativschelle, die ich benutzte, war später wesentlich weniger hoch, dafür aber breiter. Aber ohne eine Motorkamera mit TTL-Messung war das schöne Objektiv nur bedingt brauchbar, daher ist die Einführung des Meßprismas "T" bei Nikon 1965 wichtig für die Action Fotografie. Die "Zeitautomatik" dazu kam bei Nikon erst Jahre später mit der Nikon ELw (2B/sec.). (Bildquelle: Nikon Kameras und Objektive www.rainer-martini.de).

"1955 kam das erste Schnellschuß-Objektiv auf den Markt und revolutionierte die Tier- und Sportfotografie. Novoflex-Schnellschuß-Objektive verstellen die Schärfe nicht durch Drehen, sondern durch Druck gegen eine Feder in einem Pistolengriff und ermöglichen damit eine bis dahin ungeahnte Geschwindigkeit und Präzision der Fokussierung bewegter Motive. Bis zur Praxisreife der Autofokus-Technologie in den 1990er Jahren entstanden viele Tier- und Sportaufnahmen weltweit mit Teleobjektiven von Novoflex" (laut WIKI). Ähnlich funktionierte das LEICA TELEVID Rapid Focus System (400 und 560mm für Leicaflex und später Leica R), auch hier wurde ein Teil des Tubus gegen eine Feder gedrückt, aber es gab keinen federnden Pistolengriff.

 

Das Novoflex war also unser manueller Verfolger-Fokus. Es gab aber auch die Möglichkeit die Vögel in eine vorfokussierte Schärfenebene hineinfliegen zu lassen. Das geht mit jedem manuellen Objektiv. Man mußte die Flugbahn antizipieren und dann im richtigen Moment abdrücken. Man hatte dabei jedesmal nur einen Schuß:

 

Anflug auf die Steilwand von Latrabjarg: D300, manuelles AIS Nikkor 4/80-200@ 135mm, mit der Hand scharfgestellt, da ich ja mein AF 2,8/80-200 zu Hause und das 1,8/85 nicht im Rucksack hatte, mußte ich als nach Altvätersitte den Vogel in die Schärfe fliegen lassen, geht auch so, wenn man es kann...  400ASA, f/8, Zeitautomatik, leichter Beschnitt. © A.Kostrzewa

 

Ein Bild aus Schottland von 1980, Farne Islands. Auch dieses Dia einer Küstenseeschwalbe ist zerkratzt und weist Fingerabdrücke auf. Das passierte immer beim Scannen im Verlags-Trommelscanner. Fünfmal gescannt und so ein Dia war im Eimer. Die Scans konnten noch nicht preiswert gespeichert werden und wurden auch zwischen den Verlagen und dem Fotografen nicht ausgetauscht. © A.Kostrzewa

Auch hier habe ich den Vogel in die "Schärfe" fliegen lassen, oder jedenfalls daß, was wir damals dafür hielten. Deutlich besser wurden die Filme erst mit dem Fujichrome Velvia nach 1990. Motorisierte Nikon FM mit Nikkor AI 4/200mm bei f/8 (nach Exkursionstagebuch).

 

Scan aus meinem Artikel von 1994 aus "Fotografie draußen": Singhabicht in der Serengeti, oben mit AIS 5,6/400 IF-ED unten mit AF 2,8/180 IF-ED an einer manuellen Nikon FM oder FE mit Motordrive auf Fuji Sensia 100. Die Innenfokussierung ermöglichte durch ihre kurzen, leichtgängigen Verstellwege genauso schnell scharf zustellen wie beim Schnellschuß, alles bloß Übungssache. Das AF 180mm hatte ich mir im Hinblick auf die Zukunft schonmal günstig zugelegt. Aufnahme Mitte 1992 © A.Kostrzewa

 

Trefferquoten: Mit dem Novoflex und der motorisierten FE/FM habe ich immer 3-5 Bilder in Serie geschossen, also etwa eine Sekunde lang. Wenn man Glück hatte, gab es pro Film einen Treffer, alle drei Filme einen guten Treffer. Mit dem manuellen 5,6/400 IF-ED war es ähnlich, aber die Bildqualität war vor allem bei trübem Wetter besser, weil deutlich Kontrast reicher. Mit der F4s und dem /Stangen-) AF 4/300 IF-ED stieg die Trefferquote etwa auf das Doppelte bei langsamen Motiven an. Mit dem Ultraschall betriebenen schnellen AF-S war mit Glück das Drei-Vierfache zu erreichen.

Schmarotzerraubmöwe fliegt direkt im Scheinangriff auf mich zu. AIS 5,6/400 IF-ED auf Kodachrome 200 bei offener Blende und 1/500 sec. Ein Sonntagsschuß, der mir 1987 auf der schottischen Insel Handa gelang. © A.Kostrzewa

 

 

Papageitaucher im Flug, Skomer "The Wick" (1990), FM2 mit AIS 5,6/400 IF-ED. Rechts Riesensturmvogel, Antarktis 1996, F4s mit AF 4/300 © A.Kostrzewa

 

Auch die ersten AF Kameras mit ihren mittigen Messpunkten waren noch nicht richtig gut für hohe Trefferquoten geeignet. Da habe ich sowolhl mit der F4s wie auch der 801s oft "daneben" geschossen, ABER die Trefferquote war immerhin besser, als mit dem Novoflex Schnellschuß! Besser wurde es bei Nikon erst, als die AF Motore in die Objektive verlegt wurden. Zunächst waren das die AF-I Linsen ab 2,8/300 und dann endlich auch - wie bei Canon schon lange üblich - die Ultraschallmotore der AF-S Typen. Die waren endlich schnell genug, um immer gute Flugaufnahmen zu garantieren, jedenfalls bei blauem Himmel und im Vorbeiflug!

Für Frontalaufnahmen waren die alten AF-Linsen mit Stangenantrieb zu langsam, bei Follow-AF, der ja die Flugbahn vorausberechnen sollte, war es noch nicht möglich einen auf einen zufliegenden Vogel, der mit 60-70 km/h (ca. 16-17m/sec.) anfliegt, scharf zu bekommen. Mit den späteren Digitalkameras wie einer D3/D700 mit AF-S Linse geht das sehr wohl! Aber man braucht dazu auch Verschlußzeiten von 1/2.000 sec., wie wir im 2.Teil noch sehen werden.

 

Fischadler in Florida (Sunibel Island, 12/94) F4s mit manuellem AIS 3,5/400 IF-ED auf dem Linhof Doppelprofil Stativ im Vorgarten einer Villa am  Strand aufgebaut und den Adler in die Schärfe fliegen lassen. © A.Kostrzewa

 

Zwei Generationen von Kameras: Links Nikon F801s mit dem alten AF 4/300 IF ED (der AF Motor der Kamera stellte mittels einer Antriebsstange das Objektiv scharf), rechts meine F 2A mit dem manuellen AIS Nikkor 3,5/400 IF ED, welches ich natürlich meistens an der F4s montiert hatte, weil deren Sucher heller und der Motor schneller war. © A.Kostrzewa

 

Mit dieser Kombi freihand konnte man schon verläßlich gute Flugaufnahmen machen: F4s mit AF-S 4/300 und TC14eII, obwohl der Konverter die AF Geschwindigkeit spürbar herabsetzte. Daher war für Flugaufnahmen die Anfangsöffnung von f/4 (ohne TC) besser geeignet. Aber mit jeder Kamerageneration wurde die Lichtempfindlichkeit des AF verbessert. Heute kann die D4s mittig auch schon mit f/8 auskommen und das bei deutlicher Steigerung der Empfindlichkeit. 3.200 ASA sind ja gar kein Problem auch bei der D700 nicht. Früher konnten wir den Fujichrome Sensia 100 Diafilm locker mal eben auf 200 ASA pushen. Da liegen also wirklich Welten, nämlich ganze vier Blendenstufen dazwischen! © A.Kostrzewa

 

Nordnorwegen 1996: überfliegende Dreizehenmöwe mit F4s und AF 4/300. © A.Kostrzewa

 

Fazit: mit der sich langsam verbessernden Technik, wie

wurden die Trefferquoten bei Vogelaufnahmen im Flug immer besser. Daher machten und konnten das auch immer mehr Fotografen. Die ersten Nikon AF Kameras waren zusammen mit den vorhandenen Teles (Stangen-AF) noch zu langsam für diese Art Action, erst die Ultraschallmotore holten hier deutlich auf. Canon hatte diese aber lange vor Nikon mit dem neuen EOS Bajonett realisiert, um den Preis alle FD Geräte zum Altmetall werden zu lassen...

Aber: Im Vergleich zu den Verschlußgeschwindigkeiten, die heute mit hohen ASA-Werten bei KB und APS-C Sensoren möglich sind, waren die Bilder auf Filmemulsionen früher alle ziemlich unscharf!

 

Wie geht es weiter?

Heute sind schneller AF, in Folge hoher Rechnerleistung bei der Scharfstellung und Ultraschallmotore in der Lage mit etwas Auschuß bei einigermaßen gutem Licht überwiegend Treffer zu gewährleisten. Jetzt kommt es wieder zunehmend auf Komposition und interessante Bildinhalte an. Das verfolgen wir dann in kommenden Teil zwei.

 

Literatur:

D.Gabler (1974): Vollendete Spiegelreflex-Fotografie mit Novoflex. Memmingen. Später fortgeführt von unserem Antarktis Mitreisenden (1995/96)

Harald Zeyss (1989): Makro-Fotografie und die superschnellen (Novoflex) Tele. Vfv, Gilching.

G.Rueppell (1975, überarb. Neuauflage 1980): Vogelflug. rororo 7364, Reinbek. 209 Seiten.

A.Kostrzewa (1990) - Vögel im Flug fotografieren. Ornithologischen Mitteilungen 42: 87-94; Heft 4/1990

A.Kostrzewa (1994) - Alles AF ? Schöner, schärfer, besser, teurer! Gedanken über Naturfotografie. Fotografie draußen 8/1994: 46-50.

A.Kostrzewa (1995) - Teleobjektive - gestern und heute. Fotografie draußen 7/1995: 4-6.

A.Kostrzewa (1996) - Praktische Vogelfotografie - Ausrüstung und Motivwahl. Der Falke 43: 46-49.

Text und Fotos (soweit nicht anders bezeichnet) © A.Kostrzewa 15.2.15