Wir fischen die Meere leer - viel mehr als nachwachsen kann...
von Achim Kostrzewa (C) 9/2024
So der Tenor einer aktuellen Publikation in Science: Stock assessment models overstate sustainability of the world’s fisheries. Graham J. Edgar et al., Science 385, 860–865 (2024) 23 August 2024. Gewußt haben wir als Gesellschaft das schon lange, getan wurde von Seiten der Politik nichts. Die "wissenschaftliche Arbeit" der Fischereiwissenschaft der (teilweise staatlichen) Fischereiinstitute hat mit überholten Modellen immer wieder zu hohe Fangquoten vorgegeben, die die Politiker in der EU und anderswo dann nochmals erhöht haben, um die Fangflotten der Fischereindustrie und die mittelständischen Küstenfischer nicht in die Geschäftsaufgabe zu treiben. Dieser Mechanismus funktioniert schon seit vielen Jahren so, ähnlich wie in der Landwirtschaft.
Fig.1: Der Golf von Alaska ist seit den 2000er Jahren auch nach den landläufigen Modellen weitgehend überfischt! Siehe: (37). NOAA Fisheries, Stock SMART - Status, Management, Assessments & Resource Trends, Assessment Time Series Data (2020); https://www.st.nmfs.noaa.gov/stocksmart.
Das ist also nicht neu: wir kennen es aus der Nordsee bis zum europäischen Nordmeer genauso. Als Beispiel mag hier der Kleinfischfang für Fischmehl herhalten, der einige Alkenarten wie den Papageitaucher in große Bedrängnis beim Brüten gebracht hat, er konnte aus temporärem Nahrungsmangel seine Jungen nicht ausreichend füttern (R.Kostrzewa 1998, 2015). Aktuell ist die Ostsee bezüglich Hering und Dorsch leergefischt. Der Ausbeutung der küstennahen Meere wird man nur mit strickten, überprüfbaren Verboten Herr werden können. Was in der Weite des Ozeans passiert, steht noch auf einem anderen Blatt: nicht nur chinesische Fabrikschiff fangen mit riesigen Netzen die Meere leer. Ihre Position wird durch Abschalten des AIS verschleiert (Zeit online - Nutzung der Meere: Wo dunkle Flotten die Meere ausbeuten. Zwei Drittel der globalen Fischerei sind unsichtbar. Neue Daten ändern das. Unsere interaktive Karte zeigt Chinas Übermacht und wo selbst Schutzgebiete nicht sicher sind.
So kommen wir gleich zu meinem Lieblingsthema, der Antarktis. Im Bereich der Antarktischen Halbinsel gibt es in der Westantarktis die größte Konzentration von Seevogelbrutplätzen, meist Pinguine, die teils oder gar vollständig vom Krill als Nahrungsbasis abhängen. Der Krill leidet bereits unter der Meereserwärmung dort. Seit vielen Jahren versucht die Wissenschaft hier entsprechende Meeresschutzgebiete zu etablieren, um den Krillfang zu unterbinden. Grob gesagt fressen wir Menschen den Pinguinen die Nahrung weg! Krill wird zunehmend von norwegischen Spezialschiffen aus den Netzen abgepumpt nur um die heimischen Lachsfarmen in den Fjorden mit billigem Futter zu versorgen, damit wir beim Discounter den Lachs für 20,- € das Kilo billig kaufen können...
Die Hintergründe dazu sind bereits über 50 Jahre alt und sollen hier anhand der deutschen Fischereiforschung in der Antarktis beleuchtet werden. Dazu muß ich ein wenig ausholen:
Deutschlands Eintritt in die Antarktisforschung - die Jagd nach dem Krill in den 1970er Jahren
Wie die neuere Geschichte beschreibt, war der bundesrepublikanische Beitritt zum Antarktisvertrag 1978 nicht vorrangig durch reine Grundlagenforschung motiviert, sondern hing direkt mit der Wirtschaftspolitik zusammen. Der Wissenschaftshistoriker Christian Kehrt legte dies 2014 in einem Aufsatz dar, der uns, die an die Notwendigkeit reiner Grundlagenforschung immer geglaubt haben, doch stark ernüchtert hat. Der hergestellte Zusammenhang mit der drohenden Änderung des internationalen Seerechts ab 1973 und der Ausdehnung auf eine 200 Seemeilenzone für die Fischerei der Meeresanrainerstaaten schloss die große bundesdeutsche, damals hochmoderne Fangflotte von heute auf morgen von ihren bevorzugten Fanggründen in der nördlichen Nordsee vor Island, Grönland, Norwegen überwiegend aus.* Auch die Ostsee fiel fast komplett weg. Was tun in einem Land mit nur wenig eigener Küstenlänge? Die rührige Leitung des Instituts für Seefischerei in Hamburg (Prof.Dr. Dietrich Sahrhage, innerhalb der Bundesforschungsanstalt für Fischerei**) und des Instituts für Meereskunde in Kiel (Prof.Dr. Gotthilf Hempel) boten der Bundesregierung als fachkundigste Berater einen Ausweg an: Man könne in Zukunft den antarktischen Krill als riesige Proteinquelle für die schnell wachsende Weltbevölkerung erforschen und auch ausbeuten: die Fangflotte war ja da. Erste Forschungstätigkeiten waren mit der Planung des internationalen, antarktischen BIOMASS Programms 1977 (El-Sayed 1991) zum Studium des Krills angelaufen. Eine erste Expedition 1975/1976 des mit speziellen Echoloten und Satellitennavigationstechnik ausgestattetem Forschungsschiff „Walther Herwig“ der Bundesforschungsanstalt und das begleitende Fabrikschiff „Weser“ erbrachten hohe, ausbeutbare Krilldichten, wenn sich auch Schwierigkeiten bei der Haltbarmachung von Krill zeigten (Siegel 2005). Es folgten weitere Fahrten: 1977/1978 die zweite deutsche Krillexpedition, die weitere Daten erbrachte, die die Aufnahme der Vertragsverhandlungen zum Antarktisvertrag befeuerten. Das Bundesministerium für Ernährung, der die Fischerei unterstand, wie auch das Forschungsministerium, konnten von den Professoren Sahrhage und Hempel überzeugt werden, die für den Konsultativstatus der Bundesrepublik beim Antarktisvertrag zunächst nötigen Forschungsgelder von 225 Mio. DM locker zu machen. Dazu gehörte: ein Forschungseisbrecher (Polarstern), eine dauerhafte Antarktisstation (Neumeyer) und ein begleitendes Forschungsinstitut (AWI) in Deutschland. Das primär wirtschaftlich geleitete Interesse wurde dabei bei Seite geschoben und ganz die reine Forschung an der Proteinquelle Krill durch alle Beteiligten in den Fokus gerückt (Kehrt 2014). Das offensichtliche, hohe bundesdeutsche Engagement im internationalen Kontext führte sogar dazu, dass Gotthilf Hempel als Leiter des neuen AWI zum Koordinator der Forschungsschiffe der „First International BIOMASS Expedition“ (FIBEX1980/1981) berufen wurde. Auch die „Second International BIOMASS Expedition“ (SIBEX mit der neuen Polarstern 1983) war für die Forschung sehr erfolgreich. Große Datenmengen konnten gesammelt werden. So hatten diese Ergebnisse auch erwiesen, dass Krill das Ernährungsproblem, die „Proteinlücke“ einer stark wachsenden Weltbevölkerung, nicht würde lösen können. Die Warnungen aus dem Bericht zu den „Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome (Meadows et al. 1972) standen im Raum, wurden aber nur von der Wissenschaft wirklich ernst genommen. Allein mit AWI, FS Polarstern und der Antarktis Station Neumeyer I waren Fakten präsent, auch wenn dies der Seefischerei nun nicht helfen würde.* Dies alles bescherte uns eine Antarktisforschung, die weiter zu finanzieren war und glücklicherweise auch wird… Sie lieferte wichtige Erkenntnisse über die Meeresbiologie, das Eisregime beim Meereis wie auch bei den Gletschern und letztlich das Klima und seine teilweise dramatischen Veränderungen in den polaren Gebieten, die von der Polarstern regelmäßig besucht werden.
Nebenbei wurde auch die DDR noch 1987 (Vertragsbeitritt schon 1974) mit Hilfe des großen Bruders UDSSR ein Konsultativstaat durch die Errichtung der Georg-Forster-Station in der Schirrmacher Oase in unmittelbarer Nachbarschaft zur sowjetischen Station Novolazarevskaya, die von dort auch logistisch betreut wurde (Peach1990/1992).
*Ab 1973: „insbesondere Länder der Dritten Welt forderten, die Küstenzonen auf 200 Seemeilen auszudehnen, sodass Küstenstaaten wieder mehr Zugriffsrechte auf ihre Fischbestände hatten. Infolgedessen verlor die Hochseeflotte der Bundesrepublik etwa drei Viertel ihrer traditionellen Fanggründe um Island und in der Nordsee, die Zahl der Trawler sank von 140 im Jahr 1968 auf zwölf im Jahr 1988, die Fangerträge von 460.000 auf 120.000 Tonnen.“ (Sahrhage & Lundbeck 1992)
**Das Institut für Seefischerei in Hamburg als Teil derBundesforschungsanstalt für Fischerei ging 2008 in das Thünen-Institut über, was auch die noch benötigten Teile der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft und auch Teile der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft zusammenfasste.
Was ist nun eigentlich Krill ?
„Krill“ ist norwegisch und bedeutet „Alles, was der Wal frisst.“ Krill ist ein Sammelbegriff für kleinere Krebstiere, die weltweit (mit 85 Arten) u. a. von Walen als Nahrung genutzt werden. Im antarktischen Ringozean kommen elf Arten des Krillkrebses vor: Euphausia superba, eine Leuchtgarnele, ist die bekannteste und bei weitem häufigste. Diese Krebschen werden maximal sechs Zentimeter groß. Sie leben in Schwärmen in tages- und jahreszeitabhängig schwankender Tiefe: im Frühjahr und Herbst meist in 100–150 m, im Sommer in 25–75 m und im Winter bis 350 m Tiefe. Sie ernähren sich von kleinen Algen (u. a. Diatomeen), die sie aus dem Wasser filtern und unter dem Meereis abweiden. Die Krillschwärme sind im Sommer rein pelagisch, d. h. sie sind aktiv schwimmend nur im freien Meer anzutreffen; außerdem „besiedelt der Krill alle Habitate entlang von Schelfeis, Meereis, Eiskanten usw.“ Insbesondere im Winter kann er sich auch unter dem sich stark ausdehnenden Meereis ansammeln, sofern dies genügend lichtdurchlässig ist, dass er dort auf Algen trifft (Brierley et al. 2002). Die überragende ökologische Bedeutung des Krill verdeutlicht dieses Zitat: „Antarktischer Krill, (Euphausia superba Dana), spielt eine extrem wichtige Rolle in der Antarktis: Die meisten Organismen sind nur eine oder zwei trophische Ebenen vom Krill entfernt. Krill ist eine der häufigsten Nahrungsquellen für eine Vielzahl von Spezies und viele [wie Adéliepinguine, Krabbenfresser und Bartenwale, Anm. der Autoren] sind fast vollkommen abhängig davon. Im Ergebnis ist das Verständnis des Krill und seine ökologischen Interaktionen von äußerster Wichtigkeit für das Verständnis der meisten antarktischen Spezies“ (Alonso et al. 2003).
Tab.1: Schätzungen der Säuger und Vögel bez. Anzahle Biomasse und Krillverbrauch (nach Odening 1983): Da vor 1904 doppelt soviel Krill verzehrt wurde wie 1977 geschätzt, dachte man es wäre Krill im Überfluß da und formulierte die "Krill-Überfluß-Hypothese", die sich als falsch erwiesen hat (z.B. Siegel 2005). Grund für den rechnerischen "Überschuß" war der enorme Walfang, der die Bestände vor 1904 ungefähr gedrittelt hatte und so den Krillverbrauch halbierte.
Der Negativtrend der Meereisausdehnung beschleunigt sich in den letzten drei Jahren dramatisch. Schlecht für die meisten Pinguine, denen jetzt deutlich weniger Krill zur Verfügung steht...
Die Krillkrebschen nutzen die Algen (überwiegend Diatomeen), die sich unterhalb der dünnen, lichtdurchlässigen Eisschollen vor allem auf den äußeren 13 Kilometern zur Eisgrenze ansiedeln. In diesem Streifen ist der Krill viermal häufiger als meerwärts (nach Norden) oder auch weiter polwärts, wie Forscher mit einem Mini-U-Boot herausfanden, mit dem sie 27 km weit unter das Eisgebiet vordringen konnten (Brierley et al. 2002).
Die Krillschwärme sind entgegen früheren Annahmen nicht regelmäßig rund um die Antarktis verteilt, sondern konzentrieren sich zu 75% in der Scotia See vor der Antarktischen Halbinsel. Hier wurden auf den Expeditionen von sehr unterschiedlichen Ergebnissen berichtet. Der langjährige Krillforscher Volker Siegel schreibt dazu: „Diese zweite »Volkszählung (»CCAMLR Survey 2000«), ergab eine Krillbiomasse von 60 Mio. t im Untersuchungsgebiet. Verglichen mit dem Ergebnis von 31 Mio. t aus dem FIBÈX-Survey von 1981 Jahr täuscht dieser Wert jedoch, denn das Untersuchungsgebiet im Sommer 2000 war mit knapp 2,1 Mio. km² etwa fünfmal so groß wie das FIBEX Untersuchungsgebiet im Sommer 1981. Die mittlere Krilldichte lag 2000 bei 28,7 g/m² und war damit weit niedriger als 1981 (mit 77,6 g/m²). 2009 wurden anhand eines umfangreichen Datensatzes von Netzfängen eine mittlere langjährige Gesamtbiomasse des Krill von 379 Mio. t errechnet. Im Gegensatz dazu ergab die Hochrechnung aus dem CCAMLR 2000 Survey für 2000 nur eine hochgerechnete Gesamtbiomasse von 133 Mio. t für den zirkum-antarktischen Bestand.“
Das ergibt als Fazit aller Krillexpeditionen: die Bestände sind ungleichmäßig verteilt, schwanken jährlich stark und sind auch längst nicht so umfangreich (500-1.000 Mio. t, FAO 1977), wie ursprünglich angenommen (Siegel 2005, 2016).
Dass Krill als umfangreiche Proteinquelle für die menschliche Versorgung gescheitert ist, hat mehrere Gründe: 1) Es tritt sehr schnell nach dem Fang in der Schale gebundenes Fluorit in den Körper ein und „vergiftet“ ihn (Autolyse). Die Konzentration im Krillprotein ist mit 2mg weitaus zu hoch für menschlichen Verzehr. 2) ist Krill auch im gefrorenen Zustand nur schlecht haltbar und 3) ist sein Geschmack zumindest stark gewöhnungsbedürftig. In Japan gilt er als Delikatesse und auch von der UDSSR wurde er schon in den 1970ern gefangen und zu Krillpaste verarbeitet und auch gegessen. Heute gewinnt die Herstellung von Tierfutter aus Krill eine immer höhere Bedeutung: die Norweger fangen ihn mit neuen Methoden, die Netze werden nicht mehr an Bord gezogen, was den zarten Krill zerquetscht, sondern während des laufenden Fangs via Rohrleitung leergepumpt, was das Zerquetschen weitgehend verhindert. So kann er als Fischfutter für die Lachszucht verarbeitet werden. Die Fangmengen liegen seit 2008 bei 150.000 t, werden aber, bedingt durch die norwegischen Fangschiffe bald umfangreicher werden (Siegel 2016, weitere Verwendungen und Fangmengen dort). Ab 2013 wird die Fangmenge von der FAO mit über 230.000 t/an angegeben. Problem: der Fang passiert in der Nähe der größten Pinguinkonzentration in der gesamten AA, an der Antarktischen Halbinsel (s.u.).
Wie lösen eigentlich die Pinguine und Robben das Fluoritproblem? Sie speichern das Fluor in ihren Knochen, im Gewebe war kaum etwas davon nachzuweisen (Schneppenheim 1980).
Was ist aktuell zu tun beim Krill- und Fischfang? Den Seevögeln nicht die Nahrungsgrundlage wegfischen !
Wir brauchen endlich das große Meeresschutzgebiet (Abb. 4 ) vor und um die Antarktische Halbinsel einschließlich des Weddellmeeres, das Konsultativstaaten, die am Fischfang beteiligt sind (China, Norwegen), immer wieder abgelehnt wird, zuletzt in 2023. Da wir gegen das zurückweichende Meereis auf die Schnelle nichts tun können, außer natürlich den weltweiten CO2 Ausstoß drastisch zu reduzieren, müssen wir wenigstens die Initiative ergreifen und verhindern, dass den natürlichen Krillnutzern die Nahrung weggefangen wird (Alonso et al. 2003)! Da hat sich in den letzten Jahren zugunsten der Fischerei etwas getan: Neue Fangrenzen wurden festgesetzt, die gut zu den norwegischen Interessen passen (Krill fisheries | CCAMLR): im kritischen Bereich um die AA-HS, den Süd Orkney und Südgeorgien dürfen jetzt jährlich 620.000 t entnommen werden. Aktuell sind es aber „nur“ 450.000 t die abgefischt werden. Überwiegend von norwegischen Spezialfangschiffen (siehe oben). Die neueste Studie von norwegischen und chinesischen Fischereiforschungsinstituten hält die entnommenen Menge für unkritisch, da sie weit unter der von ihnen gemessenen Krillmengen liegend: "Antarctic krill is a key species in the Southern Ocean and subject to the most extensive fishery in the Antarctic. The Norwegian Institute of Marine Research has conducted acoustic-trawl monitoring of krill off the South Orkneys annually since 2011 in collaboration with the krill fishing industry. Average krill biomass within the 60000 km2 survey area ranged from 1.4 to 7.8 million tonnes in the period 2011–2020, strongly supporting that this is among the regions in the Scotia Sea with consistently highest krill densities" (Skaret et al. 2023). Ein Schelm, wer böses dabei denkt. Wie passt das mit den Warnungen der Meeresbiologen bezüglich der natürlichen zur Brutzeit landgebundenen Krillnutzer wie Pinguine oder Robben zusammen, die allesamt auf dem Rückzug sind? Folgendes Zitat ist da erhellend (Trathan et al. 2022): „The most important implication of our results is that CCAMLR should now consider factors other than simply krill distribution and abundance when setting catch limits. Knowledge about krill aggregation state and the consequences of krill movement in ocean currents remain sparse, yet such issues are important for sustainable management.“ Da kann man leicht auf die Idee kommen, warum bestimmte Konsultativstaaten die geplanten Meeresschutzgebiete, die überwiegend ihren Fanggebieten entsprechen, bislang politisch erfolgreich blockieren und das mit nicht ganz zweckfreier „Forschung“ untermauern (Skaret et al. 2023).
Tab. und Abb. aus Krill fisheries | CCAMLR
Abb.: Geplante und bereits vorhandene Meeresschutzgebiete: im atlantischen Sektor besteht dringender Handlungsbedarf.
Fazit: Die deutsche Krillforschung erwies sich langfristig als wirtschaftlicher Flop für die Fischereiindustrie, hat uns aber eine großartige Antarktis- und auch Arktisforschung durch die Gründung des Alfred-Wegener-Instituts, den Bau des Forschungseisbrechers Polarstern und die permanente Antarktisstation Neumeyer (I-III) beschert. Glücklicherweise wurde die ursprüngliche hohe Investition von 225 Mio. DM, die uns der Beitritt als Konsultativstaat zum Antarktisvertrag gekostet hat, in die Grundlagenforschung umgewidmet und nicht aufgegeben, da die ursprünglichen Ziele, Krill als Beitrag zur Welternährung zu machen, ja wegen fehlender Mengen und Qualität verfehlt wurden.
Info: Antarktis Vertrag
In den 1950er Jahren begann man, Stationen zu errichten, die nicht nur wissenschaftlichen, sondern auch den strategischen Überlegungen des Kalten Krieges entsprachen. Mit dem Bau dauerhafter Stationen wollten die Nationen ihre jeweiligen Gebietsansprüche untermauern. Da man zahlreiche Bodenschätze unter dem Eis vermutet, meldeten viele Länder unter Berufung auf frühere Entdeckungen ihrer Landsleute ebenfalls Gebietsansprüche an. Die Nationen mussten politisch eine Lösung für diese damals kritische Situation finden.
1957/58 erklärte man zum „Internationalen Geophysikalischen Jahr“. Erstmals wurden alle beteiligten Staaten zur gemeinsamen Forschung zusammengeführt. Während der Kalte Krieg seinen Höhepunkt erreichte, sollte in der Antarktis eine friedliche Koexistenz herrschen. Dies fand Ausdruck im Antarktisvertrag. Zum Schutz dieses einzigartigen Lebensraumes unterzeichneten am 1. Dezember 1959 auf Initiative der USA 12 Staaten den Antarktisvertrag. Am 26. Juni 1961 trat er in Kraft. Alle Regelungen dieses Vertrages beziehen sich auf das Gebiet südlich des 60. Breitengrades. Die wichtigsten Ziele sind:
1. Erhaltung der Antarktis für ausschließlich friedliche Zwecke,
2. freie, wissenschaftliche Forschung und internationale Zusammenarbeit,
3. Schutz und Erhaltung der Umwelt und
4.Ausklammerung jedweder Gebietsansprüche.
Heute gibt es 54 Vertragsstaaten, von denen 29 den Konsultativstatus (inklusive Deutschland) innehaben. Nur Konsultativstaaten haben nach Artikel IX des Antarktisvertrages Stimmrecht. Den Status als Konsultativstaat erhalten nur Vertragsstaaten, die Forschungsstationen betreiben oder regelmäßig wissenschaftliche Expeditionen entsenden. In der Folgezeit gab es Zusatzabkommen. Besonders wichtig: 1991 traf man in Madrid die Übereinkunft, dass für die nächsten 50 Jahre weiterhin auf einen Abbau der Bodenschätze verzichtet wird. Das Protokoll von 1991 ergänzt den Antarktis-Vertrag und setzt die schärfsten und umfangreichsten Umweltschutzregelungen um, die jemals in einem internationalen Übereinkommen erarbeitet wurden. Alle Tätigkeiten, die im Vertragsgebiet durchgeführt werden sollen, müssen vorab auf ihre Auswirkungen auf die antarktische Umwelt geprüft werden. Es gilt nicht nur die Tier- und Pflanzenwelt zu erhalten, sondern Abfälle und Kontaminierungen auf Forschungsstationen zu beseitigen, die Meeresverschmutzung zu vermeiden u.a. Somit umfasst das Madrider Protokoll Verfahrensregelungen für umweltgerechtes Verhalten. 41 Staaten haben das Protokoll ratifiziert.
Seit 1994 finden jährliche Konsultativtagungen mit breitem Informationsaustausch statt. Ziel der Treffen ist es, unter anderem Maßnahmen zum Schutz der Antarktis zu beschließen und diese den jeweiligen Regierungen der Konsultativstaaten zur Umsetzung zu empfehlen.
Die Antarktis sieht sich gegenwärtig mehreren politischen und regulativen Herausforderungen gegenüber: Die globale Erwärmung schreitet an den Polen deutlich schneller voran. Globale Machtverschiebungen wie z.B. der Aufstieg Chinas haben Konsequenzen für zukünftige Antarktis-Diplomatie und der Tourismus führt zu zunehmenden Umwelteinwirkungen.
Literatur:
Brierley, A.S. et al., (2002): Antarctic krill under sea-ice: elevated abundance in a narrow band just south of ice edge. Science 295, 1890-92.
El-Sayed, S.Z. (1977): Biological Investigations of Marine Antarctic Systems and Stocks (BIOMASS). Prepared by SCAR/SCOR Group of Specialists on Living Resources of the Southern Ocean (SCOR Working Group 54), 1: Research proposals [1977] Scientific Committee on Antarctic Research, Dallas, Tex. (USA).
El-Sayed, S.Z. (1991): The Contribution of the BIOMASS Program to Antarctic Marine Ecosystem Research. In: di Prisco, G., Maresca, B., Tota, B. (eds) Biology of Antarctic Fish, Springer, Berlin, Heidelberg.
Hempel, G. (1981/2): Deutsche Meeresforschung in der Antarktis im Südsommer 1980/81. Polarforschung 51, 227-237.
Kostrzewa, A. & R. Kostrzewa (2007). Aktuelle Pinguin-Forschung: Pinguine und die globale Erwärmung. Naturwiss. Rundschau 60: 397- 403.
Kostrzewa, A. (2010): Klimawandel: Pinguine – Überlebenskünstler in der Antarktis. BIUZ 40: 101-109.
Kostrzewa, A. (2011): Königspinguine bald Opfer der globalen Erwärmung? Naturwiss. Rundschau 64: 564-570.
Kostrzewa, Renate (1998): Die Alken des Nordatlantiks, Vergleichende Ökologie einer Seevogelgruppe, Monographie, Aula-Verlag, Wiesbaden, 144 Seiten.
Kostrzewa, Renate (2015): Atlantische Papageitaucher in Not - Einflüsse von Klimawandel und industrieller Fischerei. BIUZ 45: 322-329.
Kostrzewa, A. & R. Kostrzewa (2019): Expedition Snow Hill Island. Polar News 28: 16-21.
Odening, K. (1983). Antarktische Tierwelt. Urania, Berlin
Paech, H.J. (1990): Die DDR-Antarktisforschung - Retrospektive. Polarforschung 60 (3): 197-218, (erschienen 1992).
Sahrhage, D. u. J. Lundbeck, History of Fishing, Springer 1992, S. 267.
Schneppenheim, R. (1980): Concentration of fluoride in antarctis animals. Meeresforsch. 28, 179-182.
Siegel, V. (2005): Distribution and population dynamics of Euphausia superba : summary of recent findings. Polar Biol., 29, 1–22.
Skaret, G. et al. (2023): Distribution and biomass estimation of Antarctic krill (Euphausia superba) off the South Orkney Islands during 2011–2020. ICES Journal of Marine Science, 80, 1472–1486
Trathan, P. et al. (2022): The ecosystem approach to management of the Antarctic krill fshery - the ‘devils are in the detail’ at small spatial and temporal scales. Journal of Marine Systems 225, 103598