Florida:  Manati – Tour

 

In Florida dauert der Winter kalendarisch vom 15. November bis zum 31. März. Winter ist eher im übertragenden Sinne zu verstehen. Klar vor Weihnachten kann es stürmen und danach ist schon Frühling. Jedenfalls aus der Sicht eines Wahl-Eiflers, respektive eingeborenen Rheinländers. Ab April kann es auch richtig heiß werden. Dann ziehen die motorisierten Rentner mit ihren WOMOs wieder Richtung Norden bis nach Kanada/Alaska.

 

West_Florida: Karibik-Manati, Trichechus manatus Technik: Olympus TG 5: CMOS-Sensor 1/2,3" 6,2 x 4,6 mm (Cropfaktor 5,6), 12,0 Megapixel (effektiv), Objektiv  2-4,9/ 25-100mm (KB equiv.), Basis-Empfindlichkeit 100 ASA, Pixelpitch:  1,5 µm, Foto: f/2,9;  44mm, 1/125sec., 100ASA; entwickelt in Olympus Workspace, weiterverarbeitet/verkleinert mit Nikon View VX2. UW-Foto © Achim Kostrzewa

 

Die Manatis (Karibik-Manati, Trichechus manatus, Gattung: Rundschwanzseekühe) nutzen Mittel-Florida als beheiztes Winterquartier. Ist es im Atlantik und im Golf von Mexiko zu kalt, wandern sie die zahlreichen Flüßchen Floridas hinauf bis zu deren Quellen. Hier ist die Temperatur meist dauerhaft 15°- 20°C. Diese Seekühe sind zwar 500-1.000 kg schwer, haben aber kein ausgeprägtes Unterhautfettgewebe wie Robben oder Wale, sie frieren also „leicht“, bei nur 3% Körperfett.

 

Ruhezone für Manatees innerhalb der Three Sister Springs. Hier kann man sich bei 21°C Wassertemperatur auch im Winter aufwärmen.  Foto © Achim Kostrzewa

 

 

Wohlmeinende Anwohner der Kings Bay locken die Manatis auch schonmal mit frischem Salat an ihren Bootstseg.  Nikon FX, 420 mm.   Foto © Achim Kostrzewa

 

Nachteil des warmen Winterquartiers, es gibt nix zu fressen: Manatis brauchen bis zu 90 kg Grünzeug am Tag (= 8-10% ihres Körpergewichts). Sie fressen Wasserpflanzen im Meer, in den Flüssen auch die wild wuchernden Wasserhyazinthen. In den Quellbereichen gibt es aber keine ausreichende Nahrung. Die Population der Überwinterer schwankt mit der Wassertemperatur: war es letzte Woche noch richtig kalt in Florida, zählte man im Blue Springs State Park noch über 400 Tiere, eine Woche später stieg die Luft-Temperatur auf 27°, dann sogar auf 30°C und alle Manatis in den Quelltöpfen waren weg! (Wir bekommen schon Bammel). Wenn es in der Übergangszeit im Golf noch zu kalt bleibt, wandern die Manatis. Sie gehen zum Fressen mit der Ebbe in den Golf und kommen mit aufsteigender Flut wieder in die Flüsse zurück. So verbrauchen sie dafür nur minimale Energie. Faulheit verlangt halt nach einer gewissen Cleverness, sag ich doch!

 

West_Florida: Karibik-Manati, Trichechus manatus.  Technik: Olympus TG 5  UW-Fotos © Achim Kostrzewa

 

Gesamt wird die Zahl der Seekühe im Crystal River mit ca. 600 angegeben. Zählungen erfolgen aus der Luft von einem Hubschrauber aus werden Bilder gemacht und später ausgewertet. Ganz Florida beheimatet seit den Zählungen 1991 von über 1.200 bis 2019 zu 6.300 Tieren dieser Karibischen Seekuh. (https://myfwc.com/research/manatee/research/population-monitoring/synoptic-surveys/ ). Diese einfachen Bestandszählungen geben allerdings nur absolute Minimum Angaben über die leicht aus der Luft sichtbaren Tiere, „genaue“ Zählungen sind so nicht möglich. Das Verhältnis von zahlbaren zu unsichtbaren Tieren bleibt unbekannt. Es können also durchaus 100% mehr sein!

 

Im freien Wasser sieht man von einem schwimmenden Manati nur die Nasenlöcher und sonst nix.  Foto © Achim Kostrzewa

 

Im freien Wasser sieht man von einem schwimmenden Manati nur die Nasenlöcher und eine Kräuselung auf der Wasseroberfläche von ihrer Flukenbewegung. Schlafende Manatis hängen an der Oberfläche, dann sieht man einen Buckel im Wasser, oder sie liegen auf Grund, dann kommen sie alle 7-20 Minuten zum Atmen nach oben. Bei Wind und etwas Wellen sieht man davon meist gar nichts.

Der Profifotograf des Florida Wildlife Service ist für mich eine gute Möglichkeit zu erkennen, wo die besten Fotoplätze sind. In seinem IKELITE Gehäuse steckt eine kleine Sony Kamera mit großem Weitwinkel. Er hat einen Bleigürtel um unten bleiben zu können. Foto © Achim Kostrzewa

 

Wir dagegen "hängen" mit unserem Schnorchel an der Wasseroberfläche und dürfen nicht tauchen. Der "Kollege" (links) benutzt die gleiche Kamera wie ich. Rechts im Selfie.  Foto © Achim Kostrzewa

 

Daher versprechen wir uns vom „Schwimmen mit Manatis“ sehr viel: Fotos mit einer kleinen Olympus Unterwasserkamera, die wir extra dafür besorgt haben. Captain Tim in Pete’s Harbour bietet solche Touren mit kleinen Booten an. Wir verabreden uns für Donnerstag 7:00. Das heißt 5:30 aufstehen, leichtes Sportler-Frühstück, wenig Kaffee für die Dame, 6:40 losfahren. 6:50 ankommen, Video Einweisung anschauen, in den Nasstauchanzug springen, 7:00 geht’s schon los.

Morgennebel bei 2°C Lufttemperatur.   Foto © Achim Kostrzewa

Unser Tauchplatz, und das Boot unterwegs und am Liegeplatz. Renate hat für die Fahrt ihre Klamotten wieder über den Neoprenanzug angezogen!         

Drei Fotos © Achim Kostrzewa

 

Um 7:30 sind wir schon im Wasser. Was ich morgens bei kleinen Frühstück Renate nicht verraten habe: nach einer Strahlungsnacht ist die Temperatur um 25°C gesunken! Heute Morgen nur noch 2° über Null! Gut für die Seekühe, gut für uns, daß das Wasser hier knapp 21°C hat. Da hält man es mit Neopren gut aus. Renate hält eine Stunde durch, bevor sie bibbernd wieder an Bord klettert. Ich kann die vollen 90 Minuten ausnutzen, dann wird mir auch langsam kalt. Wir sind nur zu vier Gästen im windgeschützten Boot, haben also gut Platz uns wieder aus dem „Gummi“ zu schälen, trocken zu rubbeln, anzuziehen. (Eigene Handtücher mitbringen!) Dazu gibt es heißen Kakao, prima. Die Sonne wärmt zusätzlich.

Die Touristen bekommen Nudeln als Schwimmhilfe und damit sie nicht tauchen können. Die Schülergruppe unten (gelbe Schnorchel) werden von ihrem Lehrer begleitet. Der Manati gleitet unter ihnen durch. So hat man eine Entflechtung zwischen Mensch und Manati hergestellt. Fotos © Achim Kostrzewa

 

Ja, und die Manatis? Die liegen faul am Boden rum, eine Mutter will ihr großes Junges partout nicht saugen lassen. Einige tauchen immer wieder mal auf, einige sind neugierig. Alles geht ganz entspannt vor sich. Ich kann endlich wieder was durch meine neue Taucherbrille sehen. Die hat jetzt optische Gläser, hurra! Und die Oly macht brauchbare bis gute Bilder für eine „Kleinstchipknipse!*“ Aber es herrschen auch gut Lichtbedingungen, Sonnenschein, der gut bis ins Wasser, ja bis auf den Flußboden, der teilweise aus Muschelkalk besteht, reicht. (Ist das nicht ein schöner Schachtelsatz?)  Wahr ist auch, es sind mindestens 20 Manatis und auch mindestens 20 andere Schnorchler da.

  

Und darum zählen sie zu den Rundschwanzseekühen...  Fotos © Achim Kostrzewa

Die Kleinen sind zutraulich und neugierig.    Foto © Achim Kostrzewa

 

Der Platz ist bekannt und zugänglich, es kommen auch Paddler gucken. Wir hatten ja gestern schon eine Bootstour. Na ja, gegen Manatis von unten kommt so leicht nichts an. Man paddelt im Wasser, gestützt auf eine  Schwimmhilfe, ohne Flossen mit sparsamen Brustschwimmbewegungen möglichst ohne Zuhilfenahme der Fuße so vor sich hin. Die Kamera hängt am Hals und es wird aufgenommen, was geht. Teilweise wirbeln die Manatis Sand auf, dann nimmt sie Sicht ab und man muß warten bis es wieder besser wird. Am besten ist es nah dran zu sein, wie immer und überall. Man soll sich den Seekühen nicht näher als zwei Meter nähern und sie auch nicht überschwimmen. Theoretisch. Aber man treibt ja ein wenig mit der Strömung und soll sich nur sparsam bewegen. Den Manatis scheint es eh egal zu sein, wer da um sie rumpaddelt: wir behandeln sie mit dem zustehenden Respekt und sie ignorieren uns einfach. Einige wenige sind auch neugierig und schwimmen auf einen zu. Andere lassen sich auch gerne den Rücken schubbern. Scheint auch nötig, eher mit einem Schrubber oder einer Wurzelbürste, den ganzen Algenschmodder da runter zu kratzen. Ich stelle mir sowas wie eine Waschanlage für Seekühe vor: sie schwimmen auf ein Transportband und werden durch drei rotierende Bürsten gefahren (wie Autos). Bauch, Flipper und Kopf sind ja algenfrei. An so einer Wellness Anlage würden sie sicherlich genauso „anstehen“ wie am engen Zugang zur Three Sister Quelle.

Alles in allem ein Erlebnis, was wir so schnell nicht vergessen werden!

*Der Chip ist etwa so groß wie früher ein Super-8 Filmbildchen! Hat aber 12 MP.

Touris oben auf dem Laufsteg, im Wasser Schwimmer und reichlich Manatis. Was will man mehr?    Fotos © Achim Kostrzewa

 

Nächster Tag: Morgens um 9:00 Three Sisters zu Fuß außen rum auf dem Boardwalk. In der Quelle so etwa 30 Manatees, davor auch mindestens 10. Bis Mittag sind es dann sicher über 100 Schwimmer. Die Hälfte Davon drei Schulklassen mit roten, grünen und blauen Schnorcheln und je eine Lehrperson. Alles geht erstaunlich gesittet ab. Aber jetzt ist das Verhältnis schon auf drei Schwimmer zu einer Seekuh angewachsen!

Abends sind wir bis Sonnenuntergang wieder am Ende der „44 west“ am Roger Batchelor Pier auf Fort Island. Auf der Rückfahrt mache ich noch Landschaftsfotos von einer Brücke aus und wir sehen 3-4 Seekühe Richtung Meer wandern.

Heute ist Samstag: Wir hatten überlegt nochmal die Bootstour zu machen, haben dann aber glücklicherweise nach einigem Überlegen Abstand davon genommen. Sind schon um 8:30, direkt nach dem Öffnen, als Erste am Boardwalk: nur vier Manatis vor dem Kanal zur Quelle. In der Nacht war es 12°C. Die Quelle selbst ist leer, bis auf ca. 50 Schwimmer! Heute ist auch der Kameramann mit der gelben Weste nicht da, der die ganze Zeit über Aufnahmen gemacht hat. Bis 11:00 sind drei Manatis in die Quelle vorgedrungen und vielleicht weitere drei noch draußen. Es sind aber gesamt sicher 150 Schwimmer unterwegs. Auch einzelne ohne geführte Gruppe, die gut an den nicht vorhandenen oder andersfarbigen, kurzen Neoprenanzügen zu erkennen sind. Einige Sportschwimmer kraulen quer durch den Pool, was an sich verboten ist… Die drei Seekühe haben sich in die zwei dort ausgewiesenen Ruhezonen zurückgezogen.

Vom Land aus kann man am besten mit einer polarisierenden Sonnenbrille und dem Fernglas sehen.   Foto © Achim Kostrzewa

 

Die Entflechtung von Mensch und Manati scheint kaum mehr möglich. Wir hatten uns Crystal River als verschlafenes Kaff vorgestellt. Aber Pustekuchen, alles voller toller Häuser auf nassen Grundstücken, jedes mit 2-3 Autos und 2 Booten ausgerüstet. Manchmal auch noch ein 30-40“ Luxus WOMO daneben. Auf dem Fluß und seinen Kanälen ist immer was los. Dazu kommen Surfer, Paddler und Angler. Es ist zwar noch Winter, aber die Parkplätze sind nur zu einem Drittel belegt. Im Sommer könnte ja vielleicht noch mehr Rummel sein…

Manatis haben keine echten Feinde außer vielleicht richtig große Alligatoren/Krokodile für die Jungen und die Bootsschrauben der zahllosen Motorboote, die immer wieder Wunden in ihrer Haut hinterlassen. Da kommt bis zum Alter von 40 Jahren so einiges zusammen. Wenn Manatis dagegen direkt gerammt oder überfahren werden, sind Rippenbrüche und resultierende Lungenverletzungen die häufigsten Todesursachen.

Auch das Parkplatz-Problem wurde gut gelöst: ein Trolleybus bringt die Besucher vom Zentrum zum Ziel. Nur Behinderte mit Ausweis dürfen selbst in den Park fahren oder gefahren werden. Alle Wege sind Rollstuhl gerecht und barrierefrei.  Foto © Achim Kostrzewa

 

Erstaunlich bleibt eines trotzdem: die Bevölkerung Floridas hat stark zugenommen (seit 1980 Verdoppelung auf 21 Mio. EW = >120EW/km2), der Tourismus auch: 2002 waren es noch 49 Mio. Touristen sind es 2015 schon gut 105 Millionen. Aber eben auch die Manati Zahlen haben sich verfünffacht. Selbst in Miami City kann man sie von einigen Brücken aus beobachten. Hauptsache das Wasser ist schön warm im Winter. Eine Entflechtung von Mensch und Manati scheint weder möglich noch nötig. Beschränkungen für Boote und ihre Geschwindigkeit, sowie ausgewiesene Schutz- und Ruhezonen für die Manatis scheinen hinreichend für ein friedliches Zusammenleben zu sein. Die Manatis sind relativ phlegmatisch und haben außer Wärme im Winter und gelegentlich etwas zum Fressen wohl wenig weitere Bedürfnisse…

Text & Fotos © Achim Kostrzewa (3/2019)

https://www.fws.gov/southeast/wildlife/mammals/manatee/#recovery-plans