Wenn die Kraniche ziehn….

…jetzt gerade am Donnerstag  (5.11.20) gegen 16:30 ziehen bei strahlendem Sonnenschein mehr als 5.500 Kraniche innerhalb von 35 Minuten über unser Haus am Eifelrand. Ich komme mit dem Zählen kaum nach: erst in 10-er Gruppen, dann 20-er und 50-er. Die großen Trupps kommen so dicht und schnell, daß ich zum Schluß den Überblick verliere.  Sie werden von der Kaltfront im Norden zu uns getrieben und übernachten auf ihrem Weg zum Lac-du Der-Chatecoq in der südlichen Champagne womöglich an der belgischen Grenze im Hohen Venn.

Kraniche über unserem Quartier in Federow

 

Das Wetter in Federow zaubert auch wunderbare Regenbögen. Fotos © A. Kostrzewa

 

Oft ist aber auch schlechtes Wetter oder gar Nebel. Wir waren die mittleren beiden Oktoberwochen mit den Kranichen unterwegs: einmal im Müritz NP am Eingang Federow und eine weitere Woche verbrachten wir am Bodden in Günz, am Günzer See mit seinem „Kranorama“.

2020 im Oktober ist vom „goldenen Oktober“ leider keine Spur. Vor allem des morgens und abends, Nebel, Wolken und manchmal Regen. Also nicht gerade gute Voraussetzungen fürs Beobachten und schon gar nicht fürs Fotografieren.

 

Kranich Hotspot im Müritz NP: Blick aus der Schutzhütte am Rederang See auf den Kranichschlafplatz.            Foto © A. Kostrzewa, Pano-Foto, bitte nach rechts scrollen

 

 

Ävver, wat willste maache, in Corona Zeiten? Als wir losfuhren lag der Kreis Euskirchen noch unter einer Wocheninzidenz von 10, also kein Problem mit Mäck Pomm; als wir wiederkamen schon bei knapp 50! Und das war im Vergleich zu gesamt NRW und dem benachbarten Rheinland immer noch wenig…

Auf dem Weg zur Schutzhütte am Rederang See ist morgens oft voll der Nebel.   Foto © A. Kostrzewa

 

Am Rederang See ist morgens oft Nebel. Die wenigen Kraniche, die man sieht, bewegen sich wie Nebelgeister.   Foto © A. Kostrzewa

 

Die Kraniche fliegen auch bei trübem Licht, denen ist das egal. Für gute Fotos ist das nix.   Foto © A. Kostrzewa

 

Unsere Vermieter in Federow erzählten, sie hätten allen Berliner Gästen wieder absagen müssen, weil Risikogebiet und das wird in Mäck Pomm sehr ernst genommen! Andererseits gut, denn die Wahrscheinlichkeit sich in einem Ferienhäuschen anzustecken, wenn man nur zu zweit mit dem eigenen Auto unterwegs ist, nicht Essen geht und nur die 5 km nach Waren zum Einkaufen fährt, scheint eher gering. Essen gehen? In oder um Federow? Da gibt es nix, was sich lohnen würde; höchstens wenn man eine akute Kochphobie hat.

AHA+L, also Maske richtig tragen und Hände desinfizieren usw., genau wie zu Hause, hat bisher für uns gut funktioniert. Der einzige Platz, wo man einige andere Leute getroffen hat, war auf dem Weg zur Beobachtungshütte am Rederang See und in der etwa 40 Leute fassenden Hütte selber. Mehr als 10 waren aber nie da, der Wind pfiff durch die großen, immer offenen Beobachtungsluken und man konnte ja immer seine eigene Maske tragen, so what?

 

Der große Müritz See ist fast komplett in privater Hand, die Stellen, wo man ans Ufer kommt sind selten.     Foto © A.Kostrzewa

 

Auf den Müritz Seen finden sich zur Zugzeit große Ansammlungen von Wasservögeln, wie Graugänse.       Foto © A.Kostrzewa

 

Wir hatten uns also eingeigelt und folgten folgendem Zeitschema: Morgens nach dem Frühstück, oder manchmal auch davor Fußmarsch zur Schutzhütte oder Exkursion in die Umgebung, gucken, wo die Kraniche fressen. Mittags große Pause, lecker kochen, Power Nap (bei gutem Wetter im Liegestuhl im Garten in der Sonne mit dicker Jacke, mittags war das Wetter immer am besten) und nach dem frühen Kaffee wieder Exkursion, die zum Sonnenuntergang meist auf einer Freifläche endete, um den Kranichüberflug zum Nachtquartier zu beobachten. Da war man dann ausreichend beschäftigt. Unsere E-Bikes wären hier zeitweise nützlich gewesen, z.B. für die Exkursionen zum Rederang See. Sonst aber eher nicht, wegen der Fotoausrüstung mit 2 Stativen, Spektiv und „großer Kamera“ wär‘s auf dem Bike etwas unpraktisch.

In Federow hätten wir welche mieten können, als wir wollten, regnete es. Beim Nationalparkzentrum konnte man auch geführte, 2,5-stündige Exkursionen buchen, die gegen 16:30 zur Beobachtungshütte an den Rederang See führten. Mit ca. 40 Leuten war es uns da aber zu voll… Und der Überflug war aus der Hütte kaum zu fotografieren.

 

Abends haben wir an einem Tag kurzzeitig "gutes Licht." Wir stehen auf der Freifläche 50m hinter der Nationalparkschranke, dort ist freie Sicht, kein Dach, kein Wald und keine Strommasten stören den Blick in den Himmel.  Foto © A. Kostrzewa

 

Schöne Sonnenauf- bzw. -untergänge gibt es kaum, und wenn, dann fehlen die Kraniche.  Foto © A. Kostrzewa

 

Aber wir stehen jeden Abend parat.  Foto © Renate Kostrzewa

 

Dann ging’s weiter nach Günz. Auch hier wieder Baustellen mit endlosen Umleitungen auf der Strecke. Dieses Bundesland scheint an allen Stellen gleichzeitig mit dem Bauen zu beginnen, fertig wird dadurch erstmal nix, kennen wir aus NRW. In Günz waren wir ja schonmal 2012 gewesen http://www.antarktis-arktis.de/NATURFOTO-KULTURLANDSCHAFT.htm Damals in einem näher am Bodden gelegenen Ferienhäuschen in Solckendorf. Da gab es noch drei aktive Beobachtungsplätze: Günzer See, die Scheune bei Hoßdorf und der Aussichtsturm bei Flemendorf. Heute konzentriert sich alles auf das „Kranorama“ am Günzer See, betrieben vom NABU Zentrum in Groß Mohrdorf. Wir wohnen nur einen guten Kilometer entfernt im Ort in einer schönen kleinen Doppelhaushälfte mit Terrasse und Garten.

 

Kraniche über uns.    Foto © A. Kostrzewa

 

Von den drei früheren Beobachtungorten, die von drei Kranichgruppen betrieben wurden, ist nur der NABU übrig geblieben. Die Scheune in Hoßdorf wird wieder landwirtschaftlich genutzt, der Kranichverein dort hat gegen den NABU „verloren“ und aufgegeben. Vor 10 Jahren war da noch eifrige Konkurrenz…

 

 

Bilder vom Bodden: Oben, auf der Landseite gibt es einen langen Wanderweg entlang des Boddens. Unten, Beobachtungshütte bei Bisdorf.   Fotos © A. Kostrzewa

 

Kraniche auf dem Weg zu den Werder Inseln über Müggenburg am Bodden.            Foto © A. Kostrzewa

 

Auf der Fahrt am Donnerstag Richtung Bodden hatten wir schon für das gesamte Wochenende eingekauft und getankt, sodaß unseren Exkursionsplänen auch gar nichts im Wege stand. So ging‘s dann Tag für Tag: Morgens zum Kranorama, möglichst früh bevor laut Türen schlagende Autotouristen und ewig quatschende Leute die Kraniche zu mehr Abstand zwangen. Wir gewinnen immer den Eindruck, daß die Kranichgucker aus der Stadt sich in der leisen Natur ohne Krachkulisse unwohl fühlen. Daher importieren sie ihre Phonzahlen durch überlautes Reden und sonstige Geräuschorgien wie plärrende Kleinkinder und völlig überdrehte Stadthunde. Der Plan des NABU war einen Erdwall zwischen dem Parkplatz und den Kranichen aufzuschütten und diesen zu bepflanzen. Leider haben die drei letzten trockenen Sommer den Pflanzen auf dem Wall den Garaus gemacht.

 

Am neuen Kranorama des NABU. Der abgesperrte Teil vor dem Gebäude ist zahlenden Fotografen vorbehalten. Für  5,- € darf man voll im Wind stehen. Wir ziehen den Windschatten vor.   Foto © A. Kostrzewa

 

Blick aus dem Obergeschoß des Kranoramas auf den Günzer See.  Foto © A. Kostrzewa, Pano aus 2 QF bei 200mm auf Vollformat

 

Um über den Erdwall am Parkplatz hinweg zu fotografieren, muß ich das Schiebedach nutzen.  Entfernung zu den Kranichen 50-70 Meter.  Foto © Renate Kostrzewa

 

 

 

So sehen die erzielbaren Bilder aus, je nachdem wo die Kraniche am nächsten stehen, geht so... Die Jungen haben hellgraue bis beigefarbene Köpfe.  Foto © A. Kostrzewa, Vollformat 550mm

 

Das Kranorama (gebaut 2015) aus der Perspektive des alten Beobachtungsplatzes.      Foto © A. Kostrzewa

 

An der Baumreihe kann man es abschätzen: das NEUE Kranorama steht ein Stück links von der Mitte.   Foto © A. Kostrzewa, Foto 2012

 

Der alte Beobachtungsposten war ein wackeliger Turm und eine unzureichende Absperrung ohne Sichtschutz zu den Vögeln.     Foto © A. Kostrzewa, Foto 2012

 

Dafür hatten wir freie Sicht über das Feld.   Foto © A. Kostrzewa, Foto 2012

 

Auf dem Parkplatz kommen jetzt am späten Vormittag ganze Busladungen an, da kann man sich nur noch zurückziehen und irgendwo anders Ruhe suchen. Es gibt ja einige Plätze am Bodden gegenüber den beiden Werder Inseln, da kann man weit spazieren gehen. Bei schlechten Wetter ermöglicht die Beobachtungshütte bei Bisdorf direkt am Bodden trockene Beobachtungen. Oder man kann auch mal eben die 30-40 km zum Darß oder nach Fischland fahren, wobei man Müggenburg, Wiek oder Ahrenshoop ja meiden kann, weil zu touristisch. Wer dort Ruhe haben will, kann Richtung Pramort im Nationalpark laufen oder mit dem Fahrrad fahren, bis man nach 8 Kilometern an eine Schutzhütte kommt, von der man aus wieder die Werder Inseln sieht. Im September ist der Platz auch für seine Hirschbrunft bekannt.

 

Abends kann man den Flug der Kraniche vom Günzer See zu seinen Schlafplätzen bei den Werder Inseln im Bodden von der Straße aus beobachten. Foto © A. Kostrzewa

 

Typische Allee entlang eines Feldweges bei Bisdorf.                Foto © A. Kostrzewa

 

Fazit: die Reise hat sich gelohnt, wir haben nicht nur Natur gesehen sondern auch etwas Kultur in Greifswald, Stralsund, auf Rügen und am Schaalsee. Und, Glück gehabt, jetzt wäre das alles nicht mehr möglich unter den Bedingungen des notwendigen Teil-Lock-Downs.

Text & Fotos: Achim Kostrzewa (23), weitere (2) Fotos von Renate Kostrzewa  (9.11.20)