Tele Test auf Texel

Nikon oder Canon verkaufen heute in Europa die meisten Superteles (also 2,8/300 – 2,8/400 – 4/500 – 4/600 – 5,6/800mm; Superzooms 4/200-400mm bei beiden Herstellern) an Amateure zu Preisen von 5.000 -12.000 €. Es ist sicherlich schön so eine Superlinse zu haben. Wenn man aber nur ein- bis zweimal im Jahr überhaupt eine Verwendung dafür hat, ist das eine schöne Stange Geld, die ich lieber für eine Reise ausgebe, als sie 350 Tage im Jahr in den Safe zu stellen!

Löffler am Rand des Nationalparks. Nein, nicht mit dem 600er, sondern mit meiner "freihand-action" Kombi AF-S 4/300mm mit TC 14eII.

Für die Action habe ich ja ein AF-S 4/300mm mit TC 14eII. Was also tun, wenn mal wieder Vogelinseln auf den Britischen Inseln auf dem Programm stehen, wo man auch einmal etwas weiter weg von einer Felswand gegenüber in die Nester der Seevögel gucken möchte? Man kann zu einem älteren manuellen Modell greifen und muß ein bißchen suchen. Das Angebot von gut erhaltenen Geräten ist klein. Zur Debatte stehen ein Nikkor AIS 3,5/400 IF-ED oder ein AIS 5,6/600 IF-ED. Gesucht wird jeweils die letzte Produktionsreihe, um das Alter auf maximal 20 bez. 15 Jahre zu begrenzen. Die Kriterien dazu, wie genaue Bezeichnung und Seriennummern kann man in "Nikon Handbuch" (P.Brarzko 1990 ff.) nachschlagen. Zur Wahl standen dann im Frühjahr 2012 genau diese beiden in sehr gutem Zustand: ein 400er aus dem Raum München und ein 600er aus Nordholland. Das 400er hatte ich vor 2002 schon einmal etwa 10 Jahre benutzt und war immer hoch zufrieden damit gewesen. Sogar mit dem 2-fach Konverter TC 301 waren die Ergebnisse gut, wenn man für eine solide Lagerung auf 2 Stativen oder mit großem Studiostativ und Telestütze unter der Kamera sorgte. Das ist nun etwas unhandlich aber machbar. Der Kollege war auf längerer Auslandsreise und so entschied ich mich für das 600er, auch weil es schon eine Sonnenblendenverlängerung hatte, die das 400er in Serie leider nicht mehr bekommen hat. Außerdem wurde erstmalig ein Schutzglas vor der Frontlinse verbaut. Vom Gewicht liegen beide bei etwa 2,8 kg. Das kommt daher, dass sie nur 7-8 Linsen enthalten und über einen ziemlich schlanken aber soliden Metalltubus verfügen. AF und VR machten jeweils neue Linsengruppen und Antriebsgruppen erforderlich, die immer mehr Stromverbrauch und Gewicht bedeuteten, das jetzt kürzlich durch Magnesium und Karbon im Gehäuse wieder teuer reduziert werden mußte.

 

 

Bei Wind aus dem Auto heraus am Wagejot: AIS 5,6/600 IF-ED auf Linhof Kugelkopf III auf einem an der Autotür befestigten soliden Manfrotto Einbeinstativ.

Rechts das 600er auf dem Linhof-Doppelprofil-Stativ mit zweiteiliger Sonnenblende und Kamera.

 

Warum nun das 600er? Zusammen mit der D300 ergibt sich durch den Cropfactor von 1,5 ein hochlichtstarkes 5,6/900mm Supertele. Wenn das zu befriedigenden Aufnahmen führt, kann man den Konverter vergessen. An der D700 bleibt es ein 600mm. Man muß bei technischen 900mm erst einmal die Dioptrieneinstellung am Sucher überprüfen und evtl. die AF-Feinjustierung benutzten, sofern man den AF-Schärfeindikator nutzen will. Wie man ein solch langes Tele testet und richtig benutzt, findet sich in Fritz Pölkings Buch "Vogelfotografie" (Kilda 1987) oder seinen späteren Publikationen zur Naturfotografie (siehe www.poelking.de) gut beschrieben. Was grundsätzlich an Technik in einem manuellen oder AF-Tele drin ist, findet sich hier beschrieben: "Teleobjektive - gestern und heute" (A.Kostrzewa in Fotografie draußen 7/1995, S.4-6).

Die Ergebnisse am Wagejot auf Texel überzeugten mich schnell: die Kombination D300 mit AIS 5,6/600 IF-ED liefert gute bis sehr gute Ergebnisse, wobei die Qualitätseinschränkungen durch Vibrationen wegen Wind und zu lange Verschlußzeiten entstehen. Es gilt ja die Regel minimale Verschlußzeit = 1/Brennweite. Dazu kommen die teilweise hektischen Bewegungen der Wattvögel wie Säbelschnäbler oder Rotschenkel, da ist man erst ab einer 1/1000 - 1/1250 sec. scharf. Aber bei gutem Wetter schafft man mit 400 ASA diese Werte locker bei f/8, was den Vorteil einer etwas größeren Tiefenschärfe bringt.

 

Weitestgehend unbearbeitetes Bild mit D300 und AIS 5,6/600mm IF-ED. D300, 400ASA, 1/1600 sec. f/8. Aus einer Motorserie aus dem Auto heraus. Aus dem RAW in Capture NX2 nach JPEG in höchster Qualitätsstufe umgewandelt, dann in PS2 die Zahl der Pixel 1:4 reduziert, nicht nachgeschärft, nichts verändert. An dem Ergebnis kann man technisch nicht rummeckern...

Silbermöwe mit getöteter Lachmöwe. Daten wie oben.

Was ist mit dem fehlenden AF? Ich bin ja ein über viele Jahre geübter "Schrauber" aus der prä AF-Zeit. Die Innenfokussierung geht so schnell und leicht scharf zu stellen, das man den AF nur bei hektischen Vögeln vermißt. Außerdem ist der Autofokus ja auch nicht immer wirklich hilfreich, wenn der Fokusmeßpunkt mal nicht auf dem Auge liegt, produziert man auch hiermit jede Menge Ausschuß.

 

Schärfe prima, hier mit 1/1250 sec. und  f/6,3 sonst identische Daten. Bildaufbau nicht so optimal, weil der Rotschenkel doch flink durch das Watt stapft. Würde hier also noch links und oben beschneiden...

Vier Löffler am Abend - erquickend und labend... Auf der Rückfahrt vom Wagejot bei einsetzendem Nieselregen. So ein Glück am letzten Abend muß man erstmal haben! D300 vom Linhof-Doppelprofil-Stativ hinter dem Auto stehend, 400ASA, f/5,6, 1/800 sec. Motorsequenz. Beschnitt nur oben und unten, sonst wie oben ohne weitere Bearbeitung, vor allem ohne Schärfung!

Last but not least: Und dann kurz vor der Rückfahrt am Freitag dieser noch: er jagte in einem Graben nicht weit von der Straße!  Stativmäßig war alles schon abgebaut, also Sonnenblende auf dem Fensterrahmen aufgelegt und aus der Hand mit D300 auf 400 ASA, 1/640 sec. f/5,6. Geht doch zur Not auch. Leichter Ausschnitt mit Beschnitt oben und rechts. Das Wetter war trüb und es schauerte immer wieder. April halt.

 

Als Testergebnis läßt sich festhalten: Texels Vogelwelt lohnt die 400 km Anreise allemal. Das manuelle 600er hat seinen Test gut bestanden und kommt im Juli mit nach Wales und Schottland.

Vorteile:

Nachteile:

 

Fazit: Viel Objektiv für vergleichsweise wenig Geld.  Diese Linse ist zuletzt für 6.000,- DM neu über den Landetisch gegangen, 50% davon für ein nicht zu altes, gutes aber gebrauchtes Teil sind da üblich und fair. Ein neues AF-S 4/500 G VR kostet immerhin 7.000 €.

À propos: Wenn ich aber Wiesenvögel aus dem Auto heraus zu fotografieren als Hobby betriebe, hätte ich längst ein 4/600 oder gar ein EOS 5,6/800  von Canon...

(© AKo 21.4.2012)